Die Farben der Freundschaft
mich an. »Aber das wird mich keinesfalls daran hindern, die Ausstellung für Julian zu machen!« Trotzige Blicke schossen mir aus ihren blauen Augen entgegen. »Und wenn sie um Mitternacht stattfinden muss!«
»Eine tolle Idee!« Vater trat hinter ihren Stuhl und massierte ihr den Nacken.
»Bislang habe ich Julian noch nichts davon gesagt, wegen der Überwachung… Aber jetzt bin ich mir sicher. Es wird eine Mitternachts-Ausstellung!«
»Irgendwann müssen die Spitzel ja mal schlafen«, sagte Vater leise lachend.
Ich lief hinauf in mein Zimmer, um Loretta zurückzurufen. Normalerweise war ich zu Hause, wenn sie anrief. Seit unserer Begegnung vor ein paar Wochen hatten wir schon mehrmals miteinander telefoniert, immer in unserem bewährten Sprachmischmasch, halb Englisch, halb Afrikaans.
Allmählich lernte ich sie besser kennen. Aus unseren Gesprächen erfuhr ich, dass sie mit fünf Jahren ihre Mutter verloren hatte. Sie war an Malaria gestorben, nachdem sie in einem Fluss im östlichen Transvaal geschwommen war, der von infizierten Moskitos wimmelte. Loretta sagte, sie könne nicht begreifen, warum nur ihre Mutter gestochen wurde, obwohl sie doch alle dort im Wasser gewesen waren, die ganze Familie. Der Vater behauptete, sie sei gestochen worden, weil sie besser gewesen sei als andere Menschen und ihr Blut deswegen süßer. Manchmal wünschte Loretta, ihre Mutter wäre nicht so ein guter Mensch gewesen, vielleicht würde sie dann ja noch leben. Nach ihrem Tod war Loretta allein von ihrem Vater großgezogen worden, der, wie sie sagte, sehr streng sei. Sie hatte einen älteren Bruder, erzählte aber nicht viel von ihm, nur, dass sie kaum Zeit miteinander verbrachten.
Ich legte mich auf mein Bett, zog die lange Telefonschnur heran und wählte die Nummer, die mir Mutter auf einen Zettel geschrieben hatte. Dabei brauchte ich ihn gar nicht – ich wusste Lorettas Nummer längst auswendig.
Nach fünf langen, hohl tönenden Klingelzeichen hörte ich die Stimme eines jungen Mannes.
»Gooie aand.«
» Gooie aand. Ähem. Ist Loretta tuis, asseblief ?«
Die Stimme am anderen Ende der Leitung wechselte sofort zu perfektem Englisch. »Ja, natürlich. Sie ist zu Hause. Wer spricht denn?«
War mein Afrikaans wirklich so schlecht?, dachte ich, während ich mich durch eine Antwort hangelte.
»Äh, ich bin haar vriendin , ich meine, ihre Freundin. Ruby.«
»Ah, ich hab von dir gehört. Moment bitte, ja?«
Sobald Loretta am Hörer war, entspannte ich mich. Ich streifte die Schuhe von den Füßen und machte es mir auf meiner kuscheligen Patchworkdecke bequem.
» My broer. Mein Bruder. Entschuldige, wenn er unhöflich war.« Im Hintergrund klapperte Geschirr, während Loretta sprach.
»Nein, er war sogar sehr höflich. Werklik , sein Englisch ist perfekt.«
» Hy wou ins Ausland zum Studium«, sagte Loretta. » Askies , aber ich bin gerade beim Abwasch. Die Hausangestellten haben heute frei.« Ich hörte, wie sie den Wasserhahn aufdrehte.
»Aber warum will er denn ins Ausland?«
Loretta schwieg, dann schien sie das Wasser so stark aufzudrehen, dass mir das Rauschen im Ohr dröhnte. Als sie wieder sprach, hatte sie offenbar die Hand so an die Sprechmuschel gelegt, dass ihre Worte laut und deutlich über den Wasserschwall drangen. » My pa und mein Bruder kommen nicht gut miteinander aus. Sie sind sehr verschieden. My pa, hy is baie kwaad, wütend auf Boetie.«
Ich setzte mich abrupt auf. »Und warum?«
Loretta drehte das Wasser ab und seufzte, dann klapperte wieder Geschirr. » My pa ist durch und durch Afrikaander. Sein Großvater, hulle hat im Burenkrieg gegen die Engels gekämpft. Mein Großvater gehörte zum, wie sagt man?, Die Broederbond . Du weißt, wer die sind?«
»Nein«, antwortete ich leise. Da war er. Der Grund, weshalb meine Eltern Angst hatten, Fremde in unser Leben zu lassen.
Den nächsten Satz sagte Loretta hastig und in einem Atemzug: »Sie haben im Zweiten Weltkrieg Hitler unterstützt, und sie wollen al die swart mense, alle Schwarzen, unterdrücken und immerzu in Angst leben lassen.«
»Ist dein Vater auch dieser Meinung?«, fragte ich. Ich spürte, wie ich bleich wurde.
Loretta schloss eine Schranktür. » Nee , nein, aber auf einer Stufe mit uns Weißen sollen sie auf keinen Fall stehen. Und my boetie sieht das eben anders. Er streitet viel mit meinem Vater. Die zwei machen mir das Leben schwer …«
» Ek is jammer.«
»Nein, ist schon in Ordnung.«
Nun war eine Stimme gedämpft aus
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