Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
Vom Netzwerk:
Kumpel. »Ihr beide seid die besten«, sagte ich, und so meinte ich es auch.
     
    Auf dem Nachhauseweg dachte ich an Loretta. Ich hatte mir Sorgen gemacht, dass sie von meiner Idee, Johann zu unserem Ball einzuladen, vielleicht nicht besonders begeistert sein würde; außerdem hatte ich befürchtet, dass unsere eben geknüpfte Freundschaft darunter leiden könnte, dass ich mich in Lorettas Bruder verliebt hatte. Aber ich sollte mich täuschen. Noch am selben Abend, an dem ich mit Johann telefoniert hatte, rief Loretta an und versicherte mir, wie sehr sie sich darüber freue, dass ich ihren Bruder eingeladen hätte.
    »Hy hou van jou!« , sagte sie und klang ehrlich begeistert.
    »Ich kann ihn auch gut leiden«, antwortete ich verlegen.«
    »Also dann ist doch alles goed !« Loretta lachte.
    »Ja«, sagte ich, »alles ist gut.«
    »Johann hat mir gefragt, welche Blumen du am liebsten hast. Ich habe gesagt, weiß ich nicht.«
    »Narzissen, aber die gibt es jetzt nicht. Flieder ist immer schön.«
    »Boetie ist mit den Mädchen, wie sagt man … wählerisch. Aber du bist besonders.«
    »Du auch, Loretta.«
    Im Stillen bedankte ich mich, dass dieses liebenswürdige Mädchen in mein Leben getreten war, als ich es am dringendsten brauchte.
     
    Julian stand in der Einfahrt zu unserem Haus. Er sah müde und erschöpft aus, die Augen lagen tief in seinem mageren Gesicht. Er trug eine zerknitterte Jeans, und sein weißes T-Shirt war mit Farbe bespritzt.
    »Komm«, sagte er nur, als ich vom Rad stieg.
    Ich warf schnell meine Schultasche in den Hauseingang und folgte ihm.
    Schweigend gingen wir zum Atelier hinüber. Ich wollte gern etwas Leichtes, Unverfängliches sagen, aber da er auf einmal mit weit ausgreifenden Schritten vor mir herlief, hätte er mich ohnehin nicht gehört.
    Mein Puls ging schneller, ich war ängstlich und gespannt. Die Erinnerung an den Ausgang unserer letzten Begegnung im Atelier stand noch schmerzlich frisch vor meinen Augen.
    Julian wartete bereits vor seiner Staffelei, als ich in den Raum trat. Mit einer Hand hielt er die Ecke eines weißen Tuches, mit dem das Bild verhängt war.
    Ich empfand die Atmosphäre als bedrückend. Die Luft schien sich in die Wandritzen zu verkriechen. Endlich brach Julian das Schweigen:
    »Seit du zuletzt hier warst, ist nicht eine Sekunde vergangen, in der ich mein Benehmen nicht bedauert hätte, Ruby.«
    »Ist schon okay«, sagte ich leise und ging zu ihm hin.
    »Nein, ist es nicht.« Seine Stimme klang erregt. »Du hast es nicht verdient, dass ich meinen Zorn an dir auslasse.«
    »Das macht nichts … Hauptsache, du bist nicht mehr böse.«
    »Es hat mich furchtbar gequält …« Er senkte den Kopf.
    »Bitte, vergiss es …« Ich umarmte ihn. Er beugte sich zu mir herunter und drückte mich fest an sich.
    »Mein Gott, du glühst ja!«
    »Ich schäme mich so für mein Verhalten.« Er drückte mich noch fester an sich. »Verzeih mir.«
    Ich atmete den Geruch von Farbe und ungewaschener Haut ein, ich spürte das Kratzen seiner unrasierten Wange an meiner Schulter, und ich hielt ihn ganz fest. Ich war so froh und erleichtert, dass ich hier bei ihm sein konnte, dass ich ihn nicht verloren hatte.
    »Alles ist gut«, flüsterte ich in sein Ohr.
    Er seufzte tief auf, dann löste er sich langsam aus meinen Armen und wischte sich das feuchte Gesicht am Ärmel seines T-Shirts ab.
    »Geh zehn Schritte zurück, dann dreh dich um und schließ die Augen«, sagte Julian.
    Während ich tat, was er sagte, spürte ich seinen Blick auf mir.
    »Jetzt kannst du sie aufmachen«, sagte er.
    Ich öffnete die Augen. Julian stand mit dem weißen Tuch in der Hand da, die rot geränderten Augen auf mein Gesicht geheftet, während ich das Bild auf der Staffelei betrachtete. Es stellte einen acht- oder neunjährigen Jungen dar, im Hintergrund die primitiven Wellblechhütten der Barackensiedlung von Soweto. Seine Kleidung war viel zu groß und hing wie schlaffe Elefantenhaut um seinen zerbrechlichen Körper. Die Hemdärmel schlackerten an seinen Armen, und die viel zu langen dunklen Hosen schlugen Falten um seine dürren Knöchel. Seine nackten Füße standen auf der staubigen, von Schlaglöchern übersäten Straße. In der kaum sichtbaren Hand hielt er eine rote Malkreide. Die Augen des kleinen Jungen waren nach oben gerichtet, sein Blick ging über die rauchenden Schornsteine hinweg, aus denen Schmutzwolken quollen und die Luft des tristen Spätnachmittags verpesteten. Doch über all dem Elend

Weitere Kostenlose Bücher