Die Farben der Freundschaft
ganzen Tag im Atelier eingeschlossen hatte.
Es hatte viel Verhandlungsgeschick gekostet, bis Mutter und Vater bereit gewesen waren, Johann ins Haus zu bitten, wenn er mich abholen käme. Ich hatte ihnen versichert, dass ich weder Julian noch die Ausstellung oder sonst etwas über unser Leben mit ihm erwähnen würde.
»Wir müssen ihn kennenlernen, Annabel. Immerhin fährt sie mit ihm, Himmel noch mal!« Vater mahlte mit den Kiefern, und das bedeutete gewöhnlich, dass ihn etwas bedrückte. Mir war nicht klar, was ihn mehr aufwühlte: dass ein Fremder in unser Haus kommen sollte oder dass sich sein einziges Kind in die Obhut eines jungen Mannes begeben würde, wenn auch nur für einen Abend?
»Du liebe Güte, wie erwachsen meine Tochter aussieht!« Mutter war in mein Zimmer gekommen und legte mir eine grüne Perlenkette um den Hals. »Ich werde wohl alt. Und du, meine liebe Ruby …« sie drehte mich herum, damit ich ihr direkt ins Gesicht sah, »… du wirst immer schöner.«
Während ich aufgeregt die Treppe hinunterging, betete ich im Stillen, dass heute Abend kein Geheimpolizist vor unserem Haus stehen möge.
Kaum hatte ich die Diele betreten, läutete es draußen. Ich drückte auf den Summer für das Gartentor und wartete auf das Klingeln an der Haustür. Ich schloss die Augen, atmete tief durch – und erschrak trotzdem, als der erwartete melodische Ton schließlich erklang.
Johann trug schwarze Hosen und ein Nadelstreifenjackett. Der oberste Knopf an seinem blauen Hemd stand offen, sodass ein silbernes Kreuz auf seiner glatten Haut zu sehen war.
Er musterte mich anerkennend, und ich spürte, wie mir das Blut ins Gesicht schoss. »Du siehst aus … also wie soll ich sagen … himmlisch siehst du aus. Einfach toll.« Er lächelte.
»Und dir steht ein Tutu ausgesprochen gut!« Ich lachte, und er lachte auch, und als ich ihn ins Haus führte, hatte ich das Gefühl, dass alles gut gehen würde.
Die kurze Vorstellungsprozedur verlief problemlos. Vater schien so weit zufrieden, dass er uns, ohne Johann mit allzu vielen Fragen zu bombardieren, ziehen ließ; und Mutter war freundlich und liebenswürdig und schien entzückt von Johanns gepflegtem Englisch.
»Ich werde Ihre Tochter vor Mitternacht sicher nach Hause bringen, meneer, Entschuldigung, ich meine, Sir.« Johann reichte Vater auf dem Weg zur Tür die Hand.
» Meneer ist schon in Ordnung.« Vater gab Johann einen Klaps auf den Arm.
»Aangename kennis« , sagte Mutter auf Afrikaans, als wir die Terrassentreppe hinunter zu Johanns Wagen gingen, und ich kippte fast aus meinen Plateauschuhen. Es war eine Sprache, die sie verachtete, weil sie sie in letzter Zeit nur von Polizisten und anderen, die sie und ihre Galerie vernichten wollten, hörte. Noch nie hatte ich erlebt, dass ihr auch nur ein Wort Afrikaans über die Lippen kam, obwohl sie es wie alle englischsprachigen Südafrikaner als Zweitsprache in der Schule hatte lernen müssen.
Ich drehte mich zu Mutter um. Sie stand neben Vater, ihren grazilen Körper an ihn gelehnt, und er hatte seinen Arm um ihre schmale Taille gelegt. Sie warf mir eine Kusshand zu, und in diesem Moment liebte ich sie mehr als je zuvor.
»Viel Spaß!«, rief sie, als mir Johann die Tür seines silbergrauen Buicks aufhielt, und dann waren wir auf der Jan Smuts Avenue, unterwegs zur Barnard High.
Johann wirkte locker und entspannt. Ich lehnte mich auf dem weichen Ledersitz zurück, und er erzählte von seinem Traum, nach der Highschool im Ausland zu studieren. Seine sportlichen Leistungen waren eine gute Voraussetzung für ein Stipendium an den meisten Universitäten. Er wollte möglichst weit weg von seinem Vater. Sein Vater trank zu viel und hielt unnachgiebig an dem Standpunkt fest, Südafrika müsse ein ausschließlich von Weißen kontrolliertes Land bleiben.
»Mein Großvater war noch schlimmer. Er war Mitglied bei Die Broederbond . Sie haben Schwarze zusammengeschlagen und Schlimmeres … Mir wird übel, wenn ich nur daran denke.«
»Du findest, Schwarze sollten gleichberechtigt sein?« Ich hatte mir geschworen, nicht über Politik zu reden, aber nach Johanns Bemerkung über seinen Vater und seinen Großvater musste ich diese Frage einfach stellen.
»Ja. Das ist doch kein Leben für Menschen! Aber diese Meinung behalte ich meistens für mich …«
»Mir geht’s genauso«, sagte ich leise.
Johann griff über den Schalthebel hinweg, drückte meine Hand und hielt sie eine Weile fest.
»Wir haben mehr
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