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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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einen Arm um meine Schulter, und ich spürte, dass er zitterte. »Du bist keine Vertrauensschülerin mehr. Dandridge lässt sich nicht umstimmen.« Er drückte mich an sein frisch gebügeltes helles Oxfordhemd, und ich konnte den Duft seines Old-Spice- Rasierwassers riechen.
    »Schon gut, Daddy«, sagte ich und tätschelte seinen breiten Rücken, während er mich umarmte. »Es ist mir nicht mehr wichtig. Wirklich nicht.«
    Da ließ er mich los und sah mich aus traurigen Augen an. »Daddy. Das habe ich lange nicht von dir gehört.« Er zog mich auf meine unsicheren Beine. »Scheußliche Erkältung, scheußlicher Tag.« Er schüttelte den Kopf. »Dandridge will, dass du zu ihm gehst.« Er griff in seine Jackentasche und gab mir ein Taschentuch mit seinem Monogramm: DAW , David Adam Winters. Dankbar nahm ich es und wandte mich Direktor Dandridges Büro zu.
    »Ich bin stolz auf dich, Ruby … vergiss das nie!«, rief er mir nach. Den Schmerz auf seinem Gesicht konnte ich nicht sehen, weil ich ihm inzwischen den Rücken zugekehrt hatte, aber ich hörte ihn in seiner zittrigen Stimme.
    »Und ich auf dich, Daddy«, flüsterte ich.
     
    Das Taschentuch meines Vaters brachte mich durch den Tag. Ich hielt mich mit der einen Hand daran fest, während ich mit der freien Hand mein Vertrauensschülerabzeichen an Direktor Dandridge zurückgab. Es war ihm ein Anliegen, mir klarzumachen, wie äußerst schmachvoll er es finde, dass ich dieses ehrenvolle Amt verlor. Aber nachdem ich einen »gewalttätigen Tanzpartner« mit zum Schulball gebracht hätte, sei er der Ansicht, ich hätte mein vernünftiges Urteilsvermögen eingebüßt, das aber eine wesentliche Eigenschaft für eine Vertrauensschülerin darstelle. Ich sagte nichts zu meiner Verteidigung. Es erschien mir zwecklos, und außerdem hatte ich wegen meiner starken Halsentzündung keine Stimme mehr.
    Durch die restlichen Stunden dieses Schultags trieb ich wie ein stummes unsichtbares Wesen. Mitschüler, die mir sonst im Vorübergehen zulächelten und meinen Namen riefen, sahen auf den Gängen durch mich hindurch, als ob ich gar nicht da wäre. Keiner der Lehrer rief mich im Unterricht auf, worüber ich aber ganz froh war, weil mein Hals höllisch schmerzte.
    In der Mittagspause kam Janice zu mir auf das Rugbyfeld, wo ich zwischen den Kiefernnadeln saß, allein. Ich hatte unzählige Male mit dem Finger die Initialen meines Vaters auf dem Taschentuch nachgezeichnet und war zu dem Entschluss gelangt, dass es mir nicht mehr möglich war, das Schuljahr an der Barnard High zu beenden. Es gab eine passable öffentliche Mädchenschule, die Parktown-Highschool, die auch nicht weiter von uns entfernt war als die Barnard-Highschool. Ich stand in allen Fächern gut, und über die Tatsache, dass ich meinen Status als Vertrauensschülerin eingebüßt hatte, würde man wegen meiner schulischen Leistungen dort hoffentlich hinwegsehen. Es war keine Feigheit, dass ich mitten im Schuljahr abgehen wollte. Ich empfand es vielmehr als einen Weg, mich mit den Tatsachen abzufinden. Ich gehörte nicht mehr auf die Barnard-Highschool. Es war Zeit, dass wir uns trennten.
    »Ruby.« Mit knirschenden Schritten kam Janice über die trockenen Kiefernnadeln geschlurft und blieb vor mir stehen. Sie wippte in ihren schwarzen Lacklederschuhen unbehaglich auf und ab und machte keinerlei Anstalten, sich zu setzen. Ich sah, wie sie beim Sprechen ihre rundlichen Finger knetete. »Hach, es fällt mir sooo schwer!« Sie schloss die Augen und holte tief Luft, bevor sie mit der Sprache herausrückte. »Meine Mutter meint, es ist nicht gut für mich, wenn ich weiterhin deine Freundin bleibe. Ich bin so schon unbeliebt genug.«
    »Ist okay«, brachte ich mit dünner krächzender Stimme heraus, aber das Sprechen verstärkte meine Halsschmerzen noch.
    »Es tut mir so leid.« Sie blickte auf ihre Füße. »Ich mag dich wirklich sehr, Ruby, aber Mutter …«
    Ich streckte die Hand aus, um sie zu unterbrechen, und lächelte schwach zu ihr auf. Sie sah so schrecklich verlegen aus und schien sich so unwohl zu fühlen, dass ich ihre unangenehme Aufgabe schnell für sie zu Ende bringen wollte.
    »Versteh ich schon«, krächzte ich. Mehr gab meine Stimme nicht her.
    »Echt?« Janice schien jämmerlich erleichtert. Sie beugte sich zu mir herunter und drückte mir einen lauten Schmatz auf die Wange. »Danke, dass du so ein prima Kumpel bist!« Dann machte sie hastig kehrt und trat den Rückzug an. Ich dachte an Clive, der vorhin mit

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