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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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vorbeikommen und nach dir sehen.« Mutter schüttelte meine Kissen auf und legte die Hand auf meine Stirn. »Kühl wie eine Gurke. Das ist schon mal gut …«
    Während sie mich zu einem Schluck klarer Hühnerbrühe überredete, dachte ich daran, wie sorglos und angenehm mir das Leben in diesem Urlaub am Kap erschienen war und wie angespannt und kompliziert sich jetzt alles entwickelt hatte. Ich sah Mutter an; die Fältchen um ihren Mund waren tiefer geworden, die senkrechten Linien zwischen ihren Brauen ausgeprägter, und ich fragte mich, ob auch sie manchmal an jene unbeschwerten Tage zurückdachte.
    »Dein Vater und ich haben gestern Abend über diese ganze Schulangelegenheit gesprochen. Aber lass uns erst die Ausstellung und deine Mandelentzündung hinter uns bringen …«
    Sie blieb im Zimmer, bis ich mir die Brühe, Löffel für Löffel, durch meinen entzündeten Hals gequält hatte. Im Plauderton erzählte sie, wie gut sie Johann leiden könne und wie sehr er sie an einen Jungen erinnere, mit dem sie als Studentin an der Wits University mal gegangen sei. Starke Muskeln und noch stärkere Manieren. Als sie Johanns Namen erwähnte, lief mir vor leiser Vorfreude ein Schauer über den Rücken. Er hatte, wie von Loretta angekündigt, gestern Abend noch angerufen und gesagt, er werde sicher eine Möglichkeit finden, sich früher vom Rugbytraining abzuseilen, dann wolle er vorbeikommen und mich besuchen. Die Vorstellung davon, dass mich Johann derart krank und alles andere als attraktiv sah, wurde verdrängt von meiner Sehnsucht, mit ihm zusammen zu sein. Mit oder ohne Stimme.
    Bevor Mutter ging, sagte sie noch, dass Julian gerade dabei sei, im Atelier seine Bilder zu verpacken, die für die Ausstellung gehängt werden mussten, und dass er sich bestimmt über ein wenig Gesellschaft freuen würde. »Wenn du dich gut genug fühlst, dann geh doch zu ihm rüber, Liebling. Er ist verständlicherweise ein bisschen nervös. Aber ich muss jetzt in die Galerie«, erklärte sie, und schon zog sie die Tür hinter sich zu.
    Obwohl ich Julian erst vor wenigen Tagen gesehen hatte, vermisste ich ihn. Seine tiefe Stimme, die nie etwas Belangloses sagte, seine stille Leidenschaft für die Dinge, die ihm wichtig waren. Was ich jedoch am meisten vermisste, war die natürliche Leichtigkeit, die früher zwischen uns geherrscht hatte. Trotzdem zog ich eine bequeme Cordhose und einen alten Pulli an, und kurz nachdem Mutters Wagen abgefahren war, machte ich mich auf den Weg zum Atelier.
     
    Als ich die Tür öffnete, hörte ich das leise Knallen von platzender Luftpolsterfolie. Julian stand über einen großen Bilderrahmen gebeugt und umhüllte ihn Schicht um Schicht mit der Kunststoffverpackung.
    So vertieft war er in seine Arbeit, dass er das Öffnen der Tür nicht hörte, und da ich ihn ohne Stimme schlecht rufen konnte, ging ich zu ihm und tippte ihm leicht auf die Schulter. Er war so erschrocken, dass er ein lautes »Hai!« ausstieß, bevor er herumfuhr.
    »Ich bin schreckhaft wie ein Kaninchen!« Er richtete sich auf und seufzte. »Und du bist krank, sagt deine Mutter?«
    Ich deutete auf meinen Hals und nickte. Während ich mich im Atelier umsah, stellte ich fest, dass ungefähr ein Dutzend Bilder schon eingepackt und zum Transport bereitstanden. Sie lehnten ordentlich an einer Wand, doch auf dem Boden und an den anderen drei Wänden lagen und standen mindestens zehn weitere Bilder, die darauf warteten, eingepackt zu werden. Mit Gesten gab ich Julian zu verstehen, dass ich ihm dabei helfen wollte, und hoffte, er würde meine Zeichensprache deuten können.
    Verständnislos lächelte er mich an. »Du kannst nicht sprechen … Keine Stimme«, sagte er, und es klang mehr wie eine Feststellung als wie eine Frage. Ich nickte. »Warte!« Er ging schnell zu einem Bild, das auf dem Boden lag, und hielt es so, dass ich es betrachten konnte. Es zeigte eine schwarze Frau in Handschellen. Sie trug die Tracht einer Kinderfrau. Blaue gestärkte Schürze und weißes Häubchen auf kurzem Haar. Neben ihr stand ein dunkler Polizeitransporter mit geöffneter Heckklappe. Auf Metallbänken im Polizeiwagen saßen weitere Bedienstete, Männer wie Frauen. Sie waren aneinandergefesselt. Ein großer weißer Polizist »half« der alten Kinderfrau in den Wagen, indem er sie mit dem Fuß in den Rücken trat. Der Stoß ließ sie stolpern.
    »Keine Stimme!«, sagte Julian aufgeregt. »Ich denke schon den ganzen Vormittag über einen Titel für dieses Bild nach,

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