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Die Farben der Freundschaft

Titel: Die Farben der Freundschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linzi Glass
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Freunde mehr waren.
    Plötzlich quakte die Entenmutter laut, als wollte sie ihre Kleinen vor einer Gefahr warnen, und schon machten alle kehrt, drehten unserem Boot den Rücken und schwammen davon.
    »Ich hab Angst«, sagte ich.
    »Das brauchst du nicht. Ich werde immer auf dich aufpassen.«
    Am Ufer küssten wir uns ein letztes Mal, dann nahm ich mein Rad und fuhr schnell, bevor es endgültig dunkel wurde, nach Hause. Hätte ich gewusst, was vor uns lag, hätte ich mich an Johann geklammert und mir von ihm versprechen lassen, dass wir immer und ewig zusammen bleiben würden.
    Aber natürlich habe ich es nicht gewusst.

24
    MITTWOCH, 16. Juni 1976. Der Tag, der mein Leben veränderte. Der Tag, der das Leben von Tausenden für immer veränderte.
    Er begann wie jeder gewöhnliche Schultag. Es war der Morgen, nachdem Johann und ich uns am Zoo Lake getroffen hatten. Alles war wie immer: Ich zog hastig meine Schuluniform an, schlang einen Buttertoast hinunter und spülte einen Schluck Kaffee hinterher, dann schwang ich mich, die Schultasche auf dem Rücken, auf mein Rad.
    Ich fuhr in der kalten Morgenluft schnell den Hügel hinunter. Die Enden meines weißen Wollschals wehten hinter mir her, meine behandschuhten Hände umklammerten fest die Lenkergriffe, und meine Zähne klapperten bei jeder der schneidend kalten Windböen. Da ich dem eisigen Wind so schnell wie möglich entfliehen wollte, war ich in Rekordzeit bei der Schule.
    In der Magengrube spürte ich wieder diese schon vertraute Leere, während ich mein Fahrrad abstellte und in den Klassenraum zur ersten Unterrichtsstunde ging, es war Biologie. Um halb acht läutete es, und wir schlugen in unseren Büchern das Kapitel über das Lungensystem auf. Was ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wusste: Während wir dem Unterricht in unseren gut beheizten Klassenzimmern folgten, hatten sich etliche Kilometer entfernt Schüler zusammengefunden, die alles andere als warm und sicher in ihren Klassenzimmern saßen. Sie standen auf den von Schlaglöchern übersäten Straßen, und mit ihren Fingern, die vor Kälte zitterten, umklammerten sie selbst gemachte Schilder. »Nieder mit den Afrikaandern« stand darauf und »Viva Azania!« und »Wenn wir Afrikaans lernen müssen, soll Premierminister Voster Zulu lernen«. Der kalten Morgenluft trotzend, hatten sich diese Schüler an der Thomas-Motolo-Schule in einem Viertel von Soweto versammelt. Nach den Berichten, die tags darauf in der Zeitung standen, waren die meisten von ihnen wohl zur Schule gekommen, ohne zu wissen, dass der Schülerrat von Soweto für diesen Tag eine friedliche Demonstration beschlossen hatte; sie wandte sich gegen das drohende Gesetz, wonach alle schwarzen Kinder auf Afrikaans unterrichtet werden sollten. Begeistert schlossen sich die Schüler dem Zug an.
    Während wir lernten, dass der Tyrannosaurus Rexund ein heutiger Sperling etwas gemeinsam hatten – ein nahezu identisches Lungensystem nämlich –, wuchs der Zug der protestierenden Jugendlichen aus der Township auf Tausende Marschierende an; auf ihrem Weg durch die Straßen von Soweto kamen Schüler von der Naledi-Highschool, der Malopo-Schule und anderen dazu. Sie sangen die afrikanische Nationalhymne »Nkosi Sikelel’ i Afrika«und hängten rasch zusammengebastelte Schilder an die Tore ihrer verlassenen Schulen, auf denen stand: »Für die Polizei verboten. Betreten auf eigene Gefahr.«
    Während wir zur nächsten Unterrichtsstunde gingen, unsere Hochglanzbücher in den hellhäutigen Händen, gesellten sich zu den Marschierenden auf den Straßen weitere Tausende, sie kamen von Meadowlands, Diepkloof und anderen Schulen. Auf der Vilakazi Street trafen sie alle zusammen, vor der Orlando-Highschool und der Phefeni-Schule.
    Während ich meinen Aufsatz in Englischer Literatur begann – das Thema lautete: »Ist vorzeitiger Tod Schicksal oder göttliches Eingreifen?« und bezog sich auf das Buch von Thornton Wilder, Die Brücke von San Luis Rey , unsere Schullektüre –, blockierte die mutig gewordene Menge schwarzer Schüler, die inzwischen dicht an dicht standen, die Vilakazi Street. Vielstimmig, doch einträchtig skandierten sie: »Macht! Macht! Macht!«, und immer mehr Schüler schlossen sich den Tausenden an.
    Jetzt trat die Polizei auf den Plan.
    Die weißen Beamten in ihren blauen Uniformen bauten sich in Reihen auf und sperrten die Straße ab. Sie standen keine sieben Meter vor den Kindern und Jugendlichen. Dann rückten noch mehr Polizisten an, und

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