Die Farben der Freundschaft
Sprache, die die Menschen trennt! Nicht nur die Religion.«
»Ja«, sagte ich. Loretta und Johann sprachen die »Sprache der Regierung«, und allein danach urteilten Julian und andere Schwarze über sie. Genau wie Julian und sein Volk wegen ihrer Hautfarbe unterdrückt wurden. In wenigen Wochen, wenn ein bestimmter Personenkreis mich in der Schuluniform einer staatlichen statt einer privaten Schule sehen würde, würde auch ich anders eingeschätzt werden. Wie ungerecht das alles war! Wir bekamen überhaupt keine Chance, als individuelle Persönlichkeiten anerkannt oder abgelehnt zu werden, es war allein unser Äußeres, das alles entschied. Sprache, Hautfarbe und sogar die Schuluniform.
»Sei nicht traurig.« Loretta musste die Unsicherheit in meiner Stimme gehört haben. » Alles moet verby gaan. Weißt du, was das heißt?«
»Ich glaube schon …«, sagte ich.
»Es heißt‚ alles geht mal vorbei.«
»Ich wünschte nur, diese letzten Wochen an der Barnard- Highschool gingen ganz besonders schnell vorbei!« Ich seufzte.
»Sie vergehen. Ich werd ihnen sagen, sie sollen sich beeilen!«, meinte Loretta fröhlich, und wir mussten beide lachen.
Da ihr Vater Loretta und Johann verboten hatte, mich zu sehen, konnte ich sie nicht mehr zu Hause besuchen. Aber ihre Aktivitäten nach der Schule zu schwänzen, war für Loretta schwierig. Johann dagegen, der ein Auto hatte und viel mehr Freiheiten besaß, schaffte es, der Kontrolle seines Vaters zu entgehen und sich so oft wie möglich mit mir zu treffen. Manchmal ließ er das Rugbytraining sausen und stahl sich spätnachmittags davon. Unser heimlicher Treffpunkt war jedes Mal der Zoo Lake in Saxonwold. Für mich bedeutete das eine rasante Radfahrt über den Höhenrücken von Westcliff und dann noch eine kurze Strecke auf der Jan Smuts Avenue, bevor ich in Johanns Armen war.
Ich fuhr, ohne mich um Autos, Verkehr oder eventuelle Überwachung zu kümmern, und meine Beine traten so schnell in die Pedale, wie mein Herz Johann entgegenschlug. Normalerweise wartete er in dem kleinen Café nah am Seeufer. Dort teilten wir uns einen Eisbecher, mieteten manchmal sogar ein Boot und ruderten hinaus auf das eiskalte Wasser. Es war mittlerweile Anfang Juni, Winter, und der See fast immer menschenleer. Ich sah Johanns starken Armen beim Rudern zu, während er mir gegenübersaß und mich unverwandt anblickte, hinter ihm die wässrige Nachmittagssonne.
Wenn wir am anderen Seeufer angelangt waren und Johann das Boot in eine abgelegene Bucht gesteuert hatte, fielen wir uns in die Arme. Unsere Münder verschmolzen und unsere Hände zeichneten Pfade auf die Haut des andern, wie zärtliche Worte, die noch lange nachdem wir uns getrennt haben würden, zu lesen wären. Wir wollten einander festhalten und nie mehr loslassen. Unsere Körper sagten, was wir nicht aussprachen: Unsere gemeinsame Zeit ist so kostbar, es zählt nur das Jetzt.
Ich kann nicht sagen, wie oft wir uns getroffen haben, vielleicht ein Dutzend Mal, aber dass es einer jener Nachmittage am Zoo Lake war, als wir uns zum letzten Mal in den Armen hielten, daran erinnere ich mich mit schmerzlicher Klarheit. Es war ein Dienstag, und manchmal höre ich noch immer das leise Plätschern der Wellen um das Boot herum.
»Ich vermisse dich schon, bevor wir uns getrennt haben.« Johann streichelte mein Haar und zog mich an sich, ehe er wieder nach den Rudern griff.
»Ich vermisse dich immer«, sagte ich und fuhr mit den Fingern über seinen Unterarm, an der Innenseite entlang, wo die Haut glatt und weich war. Er nahm meine Hand und hielt sie an seine Lippen. »Du bist mein ein und alles«, sagte er, bevor er sie losließ.
Eine Entenfamilie schwamm neben uns her, während Johann mit gleichmäßigen Schlägen das Wasser teilte. Die Sonne sank jetzt schnell, und das Ufer schien im Abendlicht wie in violette und braune Schatten getaucht. Der Anblick der Anlegestelle erfüllte mich mit einer dunklen Vorahnung, und ein kalter Schauder lief mir über den Rücken. Ich sah zu Johann hin, in dessen starkem Körper ein so weiches Herz schlug, und plötzlich überfiel mich panische Angst. Ich wollte nicht, dass wir anlegten; ich wollte mit Johann für immer so auf dem ruhigen Wasser dahintreiben, weit weg vom Festland, wo in verborgenen Ecken finstere Gestalten wie Direktoren, Geheimagenten und verbitterte Afrikaander-Väter lauerten, wo wir mit vorwurfsvollen Blicken von Polizisten beobachtet wurden und wo Schulfreunde im Nu keine
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