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Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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wenn ich mich nicht sehr irre, stammt der zweite Brief von seinem Großwesir namens Neun Drehende Spiegel. Er ist im Dienst mehrerer Kaiser alt geworden und hält sie für zwar notwendige, aber recht lästige Bestandteile bei der erfolgreichen Verwaltung des Reichs. Der Großwesir legt Wert auf Ordnung. Alles gehört an seinen Platz – so lautet seine Devise.«
    »Ich verstehe allmählich«, sagte der Patrizier.
    »Das freut mich.« Gorphal lächelte in seinen Bart. »Der Tourist befindet sich nicht an seinem Platz. Vermutlich hat sich Neun Drehende Spiegel erst den Wünschen seines Herrn gefügt und dann eigene Maßnahmen beschlossen: Bestimmt will er sicherstellen, daß der Reisende nicht zurückkehrt und die Krankheit der Unzufriedenheit mitbringt. Das Reich möchte, daß seine Untertanen an den ihnen gebührenden Plätzen bleiben.
    Aus diesem Grund wäre es weitaus vorteilhafter, wenn Zweiblum für immer im Land der Barbaren verschwindet. Damit ist unter anderem unsere Stadt gemeint, Lord.«
    »Was rätst du mir?« fragte der Patrizier.
Gorphal hob die Schultern.
»Du solltest nichts unternehmen. Wahrscheinlich regelt sich alles von allein. Andererseits…« Er kratzte sich nachdenklich am Ohr. »Die Gilde der Meuchelmörder…«
    »Ah, ja.« Der Patrizier nickte langsam. »Die Gilde der Meuchelmörder.
    Wie heißt ihr derzeitiger Präsident?«
    »Zlorf Flanellfuß, Lord.«
    »Sprich mit ihm.«
    »Wie du wünschst, Lord.«
Der Patrizier nickte erneut, und diesmal wirkte er erleichtert. Er teilte den Standpunkt des Großwesirs Neun Drehende Spiegel. Das Leben war schon schwierig genug. Wenn Untertanen nicht an ihrem Platz blieben, ergaben sich nur Probleme.

    H elle Sternbilder leuchteten über der Scheibenwelt. Nacheinander schlossen die Händler ihre Läden. Nacheinander standen die Ganeffs, Diebe, Langfinger, Huren, Betrüger, Schwindler, Einbrecher und andere Bürger der Nacht auf, um zu frühstücken. Zauberer gingen ihren multidimensionalen Angelegenheiten nach. In dieser Nacht fand die Konjunktion von zwei mächtigen Planeten statt, und über dem Magischen Viertel wogte bereits der thaumaturgische Dunst ersten Zaubers.
    »Hör mal, so kommen wir nicht weiter«, sagte Rincewind und schob sich zur Seite. Die Truhe folgte ihm sofort und hob drohend den Deckel. Der Zauberer überlegte kurz, ob er versuchen sollte, sich mit einem entschlossenen Sprung in Sicherheit zu bringen, überlegte es sich jedoch anders, als die Kiste mit einem sehr bedeutungsvollen Knallen ihre Klappe zufallen ließ.
    Mutlosigkeit erfaßte ihn, als er daran dachte, wenn ihm das verdammte Ding auch weiterhin folgen würde. Es wirkte ausgesprochen hartnäckig und stur. Selbst wenn er sich ein Pferd besorgte und fortritt – aus irgendeinem Grund war er sicher, daß er der Truhe nicht entkommen konnte. Rincewind stellte sich vor, wie sie sich ihm an die Fersen heftete – was hoffentlich nicht wörtlich zu verstehen war –, wie sie durch Flüsse und Ozeane schwamm. In jeder Nacht, während er schlief, holte sie langsam auf. Und eines Tages, nach vielen Jahren und in einer exotischen Stadt, hörte er dann Hunderte von kleinen Beinen, die in der Gasse hinter ihm beschleunigten …
    »Du hast den falschen Mann erwischt!« stöhnte er. »Mich trifft keine Schuld! Ich habe ihn nicht entführt!«
    Die Truhe schob sich ein wenig nach vorn, und daraufhin befand sich nur noch ein schmaler Streifen schlüpfriger Mole zwischen Rincewinds Füßen und dem Fluß. Eine düstere Vorahnung verriet ihm, daß die Kiste viel schneller schwimmen konnte als er. Seine Phantasie wollte ihm zeigen, wie es sein mochte, im Ankh zu ertrinken – hastig schloß er das innere Auge.
    »Weißt du«, sagte eine leise Stimme im Plauderton, »sie gibt erst Ruhe, wenn du dich fügst.«
    Rincewind sah auf den Ikonograph hinab, der noch immer am Halsriemen baumelte. Die kleine Pforte daran stand offen, und der Homunkulus lehnte am Rahmen der winzigen Tür, rauchte eine Pfeife und beobachtete das Geschehen amüsiert.
»Dich nehme ich mit, Freundchen«, brachte der Zauberer zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
    Der Kobold nahm die Pfeife aus dem Mund. »Was hast du gesagt?« fragte er.
»Wenn ich in den Fluß springe, begleitest du mich, verdammt!«
    »Nur zu.« Der Homunkulus klopfte an den Kasten. »Mal sehen, wer zuerst im Ankh versinkt.«
Die Truhe gähnte und kroch ein oder zwei Zentimeter weit vor.
    »Schon gut, schon gut«, sagte Rincewind verärgert. »Aber du

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