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Die Farben der Magie

Die Farben der Magie

Titel: Die Farben der Magie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Pratchett
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sich handelte. Nur eins stand fest: Er gehörte zu den acht elementaren magischen Formeln, die fest mit dem Gefüge von Raum und Zeit verbunden waren.
    Seit jener Zeit geschah immer wieder folgendes: Wenn Rincewind in eine schwierige Lage geriet oder sich bedroht fühlte, schlich sich der Zauberspruch zur Zunge.
    Er biß die Zähne zusammen, aber die erste Silbe bahnte sich einen Weg aus dem Mundwinkel. Die linke Hand kam von ganz allein in die Höhe, und oktarine Funken stoben von den Fingern, als sich ein magisches Kraftfeld bildete…
    Die Truhe sauste um die Ecke, und unter ihr stampften mehrere hundert Beine wie Kolben.
Rincewind schnappte nach Luft, woraufhin der Zauberspruch enttäuscht den Rückzug antrat.
    Die große Kiste aus intelligentem Birnbaumholz schien in keiner Weise von dem Teppich behindert zu sein, der sie teilweise umhüllte – und ebensowenig von dem Dieb, der an einem Arm vom Deckel herabbaumelte. Er war im wahrsten Sinne des Wortes ein Totgewicht. An einer anderen Stelle ragten zwei Finger (Besitzer unbekannt) unter der Klappe hervor.
    Die Truhe hielt einen Meter vor dem Zauberer an und zog kurz darauf die Beine ein. Es ließen sich keine Augen an ihr erkennen, aber Rincewind zweifelte nicht daran, daß die Kiste einen erwartungsvollen Blick auf ihn richtete.
    »Husch«, sagte er versuchsweise. Die Truhe rührte sich nicht von der Stelle, aber der Deckel knarrte ein wenig nach oben und gab den toten Dieb frei.
    Rincewind dachte an das Gold. Angenommen, die Kiste brauchte einen Herrn… Vielleicht hatte sie ihn adoptiert.
    Die Flut setzte ein, und er beobachtete undefinierbare Dinge, die im gelben Licht des Nachmittags flußabwärts trieben, zum nur hundert Meter entfernten Flußtor. Der Zauberer traf eine rasche Entscheidung und vertraute den Leichnam des Diebs dem Fluß an. Selbst wenn man ihn später fand – er würde kaum Aufsehen erregen.
    Und die Haie in der Mündung waren an ebenso kräftige wie regelmäßige Mahlzeiten gewöhnt.
    Rincewind sah der davontreibenden Leiche nach und überlegte, was es jetzt zu unternehmen galt. Die Truhe schwamm sicher. Wenn er bis zum Abend wartete und sich von der Ebbe hinaustragen ließ… Flußabwärts gab es viele geeignete Stellen, wo er das Ufer ansteuern konnte, und anschließend… Nun, falls der Patrizier tatsächlich die Lords der anderen Städte benachrichtigt hatte – Rincewind brauchte nur die Kleidung zu wechseln und sich gründlich zu rasieren, um nicht wiedererkannt zu werden. Wie dem auch sei: Die Welt bestand nicht nur aus Ankh-Morpork, und außerdem fiel es ihm leicht, neue Sprachen zu lernen. Wenn er sich erst einmal in Chimära, Gonim oder Ecalphon befand, konnte ihn kein noch so großes Heer zurückholen. Und dann… Reichtum, Sicherheit, Komfort…
    Und Zweiblum? Rincewind erlaubte sich kurze Trauer.
»Es könnte schlimmer sein«, sagte er wie zum Abschied. »Wenn es mich erwischt hätte.«
Als er sich bewegte, stellte er plötzlich fest, daß ihn etwas am Umhang festhielt.
Rincewind drehte den Kopf und sah, daß der Saum seines Mantels unter dem Deckel der Truhe steckte.

    » A h, Gorphal«, sagte der Patrizier freundlich. »Komm herein. Nimm Platz. Darf ich dir einen kandierten Seestern anbieten?«
    »Ich stehe immer zu Diensten, Herr«, erwiderte der ältere Mann ruhig. »Es sei denn, es geht dabei um den Verzehr von Stachelhäutern.« Der Patrizier hob die Schultern und deutete zur Schriftrolle auf dem Tisch.
»Lies!«
    Gorphal griff nach dem Pergament und wölbte ansatzweise eine Braue, als er die vertrauten Ideogramme des Goldenen Reiches sah. Etwa eine Minute lang las er schweigend, drehte dann das Dokument und betrachtete das Siegel auf der Rückseite.
    »Du stehst in dem Ruf, das Reich gut zu kennen«, sagte der Patrizier. »Kannst du dies erklären?«
    »Wer das Achatene Reich verstehen will, darf sich nicht nur mit den dortigen Ereignissen befassen, sondern muß auch über die Einstellungen von Kaiser und Untertanen Bescheid wissen«, antwortete der alte Diplomat. »Diese Nachricht ist zweifellos seltsam, ja, aber nicht überraschend.«
    »Heute morgen hat mich der Kaiser angewiesen… « Der Patrizier erlaubte sich den Luxus, die Stirn zu runzeln. »…er hat mich angewiesen, jenen Zweiblum zu schützen. Jetzt soll ich ihn töten. Und das findest du nicht überraschend?«
    »Nein, der Kaiser ist kaum mehr als ein Knabe. Und ein Idealist noch dazu. Er liebt sein Volk, und die Untertanen sehen eine Art Gott in ihm. Nun,

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