Die Farben der Magie
sicher. Benutzt man sie, um Flöße zu bauen? Oder wirft man sie den Haien vor – um anschließend zu beobachten, wie die Fische versinken? Was ist in den Flaschen? Gift?«
»Wasser.«
»Davon gibt's hier doch jede Menge. Warum hat Zweiblum Wasser mitgebracht?«
»Der Grund heißt mangelndes Vertrauen.«
»So wie Mißtrauen?«
»Ja, er meinte, es sei besser, das hiesige Wasser nicht zu trinken, verstehst du?«
Rincewind öffnete eine Flasche. Vielleicht bestand ihr Inhalt tatsächlich aus Wasser: Die Flüssigkeit schmeckte schal; ihr fehlten Aroma und Leben. »Fast völlig geschmack- und geruchlos«, brummte er.
Die Truhe knarrte leise und weckte seine Aufmerksamkeit. Ganz langsam und mit wohlüberlegter Drohung schloß sie den Deckel – Rincewinds improvisierter Keil zersplitterte wie ein trockenes Blatt.
»Na schön, in Ordnung«, sagte er. »Ich denke nach.«
Y mors Hauptquartier befand sich im Schiefen Turm an der Ecke Rauhreifstraße und Frostgasse. Gegen Mitternacht lehnte ein einsamer Wächter an der dunklen, von Schatten umhüllten Mauer, sah zu den beiden Konjunktionsplaneten hinauf und fragte sich gelangweilt, was sie für seine Zukunft bedeuteten.
Ein leises, eigentlich unhörbares Geräusch ertönte. Es klang so, als gähne eine Mücke.
Der Wächter blickte über die leere Straße und sah einen Gegenstand, der einige Meter entfernt im Schlamm lag und den Mondschein widerspiegelte. Er hob ihn auf, und das Glühen am Himmel glänzte über Gold. Der Mann schnappte so laut nach Luft, daß man sein Keuchen noch einige Dutzend Meter entfernt hörte.
Das leise Geräusch wiederholte sich, und auf der anderen Straßenseite rollte eine zweite Münze in den Rinnstein.
Als der Wächter sie in der Hand hielt, lag schon eine dritte auf dem Pflaster und drehte sich noch. Gold, so erinnerte er sich, bestand angeblich aus kristallisiertem Sternenlicht. Bisher hatte er nicht daran geglaubt, daß Gold einfach so vom Himmel fiel.
Als er den Zugang der nahen Gasse erreichte, begegnete er noch mehr gelbem Metall. Es ruhte noch immer in einem Beutel und war ziemlich schwer – Rincewind zielte damit auf den Kopf des Mannes und traf.
Als der Wächter wieder zu sich kam, blickte er in das fratzenhafte Gesicht eines Zauberers, der seine Kehle mit einem Schwert bedrohte. Darüber hinaus spürte er, daß ihn in der Dunkelheit etwas am Bein gepackt hatte.
Es handelte sich um jene Art von Griff, die ihm mitteilte, daß der Unbekannte noch weitaus fester zugreifen konnte, wenn er wollte. »Wo ist er?« zischte der Zauberer. »Ich meine den reichen Fremden. Los, gib Auskunft!«
»Was hält mich am Bein fest?« fragte der Wächter, und die Stimme zitterte ihm vor unerklärlichem Entsetzen. Als er sich zu befreien versuchte, nahm der Druck zu.
»Die Antwort auf diese Frage gefiele dir nicht«, sagte Rincewind. »Wenn du jetzt so freundlich wärst, mir zuzuhören… Wo steckt der Fremde?«
»Er ist nicht hier! Man hat ihn zu Breitmann gebracht! Alle suchen nach ihm! Du bist Rincewind, nicht wahr? Die Truhe… Die beißende Kiste… Oneinoneinonein, bittebittebitte…«
Rincewind ging. Der Wächter fühlte, wie der verborgene Beingreifer seinen – beziehungsweise ihren, wie er befürchtete – Griff lockerte. Als er aufzustehen versuchte, stieß etwas Großes und Schweres und Kantiges gegen ihn, schleuderte ihn wieder zu Boden und folgte dem Zauberer. Eine Kiste. Und sie lief auf Hunderten von kleinen Füßen.
M it Hilfe seines selbst zusammengestellten Wörterbuchs bemühte sich Zweiblum, Breitmann in die Geheimnisse der Fähr-sicher-ungen einzuweihen. Der dicke Wirt hörte aufmerksam zu, und die kleinen dunklen Augen glitzerten.
Ymor saß auf der anderen Seite des Tisches, sah amüsiert zu und nahm gelegentlich einen Brocken vom Teller, um seine Raben zu füttern. Neben ihm wanderte Withel auf und ab.
»Beruhige dich«, sagte Ymor und hielt den Blick auf die beiden Männer ihm gegenüber gerichtet. »Hier sind wir sicher, Stren. Wer würde es wagen, uns hier anzugreifen? Und der Gossenzauberer kommt bestimmt. Er ist viel zu feige, um sich aus dem Staub zu machen. Er hofft vermutlich, eine Übereinkunft mit uns treffen zu können. Und dann haben wir ihn. Und das Gold. Und die Truhe.«
In Withels einem Auge blitzte es. Er ballte die Faust, und der schwarze Handschuh knisterte leise. »Wer hätte gedacht, daß es soviel intelligentes Birnbaumholz auf der Scheibenwelt gibt?« stieß er hervor. »Die Sache gefällt
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