Die Farben der Magie
fügte hinzu: »Das gilt auch für deinen verlausten Gefährten, der die Schatten liebt – wo immer er sich jetzt versteckt.« Schleicher näherte sich dem Pferd und musterte die recht mitgenommen wirkende Gestalt.
»He, du bist der Zauberer Rincewind, nicht wahr?« fragte er in einem erfreuten Tonfall, während er sich gleichzeitig die Worte des Magiers einprägte, um später vergnügliche Rache dafür zu nehmen. »Die Stimme klingt vertraut.«
Bravd spuckte und schob das Schwert in die Scheide. Es lohnte nur selten, sich auf einen Kampf mit Zauberern einzulassen – in ihrem Besitz gab es fast nie wertvolle Gegenstände.
Für einen Gossenzauberer riskiert er eine ziemlich dicke Lippe«, brummte er.
»Ihr versteht mich nicht«, erwiderte Rincewind erschöpft, »ich habe solche Angst vor euch, daß sich mein Rückgrat in Brei verwandelt. Allerdings leide ich derzeit an einer Überdosis des Entsetzens. Ich meine, wenn ich mich davon erholt habe, habe ich bestimmt Gelegenheit, mich angemessen vor euch zu fürchten.«
Schleicher deutete zur brennenden Stadt.
»Kommst du aus dem Feuer?« erkundigte er sich.
Der Zauberer hob eine rote, von einigen Brandblasen gezierte Hand zu den Augen. »Ich bin dort gewesen, als es begann. Seht ihr ihn?« Er nickte zur Straße hinüber. Sein Begleiter war noch immer damit beschäftigt, sich zu nähern; er hatte eine besondere Methode des Reitens entwickelt, die es von ihm verlangte, in Abständen von einigen Sekunden aus dem Sattel zu fallen.
»Nun?« fragte Schleicher.
»Er ist für die Flammen verantwortlich«, sagte Rincewind schlicht. Bravd und Schleicher beobachteten den Mann. Er hüpfte nun über den Weg, mit einem Fuß im Steigbügel.
»Ein Brandstifter, wie?« knurrte Bravd schließlich.
»Nein«, widersprach Rincewind, »nicht unbedingt. Ich möchte mich folgendermaßen ausdrücken: Wenn vollständiges, absolutes Chaos in Form von Blitzen kommt, so steht er während eines Gewitters auf der Kuppe eines hohen Hügels, trägt dabei eine Kupferrüstung und ruft: ›Zur Hölle mit allen Göttern!‹ Habt ihr was zu essen?«
»Leckere Hähnchen«, sagte Schleicher. »Für eine Geschichte.«
»Wie heißt er?« fragte Bravd, der dazu neigte, bei Gesprächen den verbalen Anschluß zu verlieren.
»Zweiblum.«
»Zweiblum?« wiederholte der Barbar. »Ein seltsamer Name.«
»Ja.« Rincewind stieg ab. »Und das ist noch längst nicht alles. Hähnchen, wie?«
»Scharf gewürzt«, sagte Schleicher. »Und knusprig gebraten.« Gebraten, dachte Rincewind und stöhnte leise. Dieses Wort weckte höchst unangenehme Erinnerungen in ihm.
»Da fällt mir ein…« Schleicher schnippte mit den Fingern. »Vor etwa einer halben Stunde kam es zu einer besonders großen Explosion…«
»Damit verabschiedete sich das zentrale Öllager.« Rincewind schnitt eine Grimasse, als er sich an den brennenden Regen erinnerte.
Schleicher drehte sich um, sah seinen Gefährten an und lächelte erwartungsvoll. Bravd brummte leise vor sich hin und gab ihm eine Münze. Einige Sekunden später ertönte ein kurzer Schrei von der Straße; Rincewind blickte nicht von seinem Hähnchenschenkel auf.
»Es gibt viele Dinge, die er nicht kann, und dazu gehört auch das Reiten«, sagte er. Dann ballte sein Gedächtnis die Faust und rammte sie in die Magengruben des Gewissens. Rincewind ächzte leise, wirbelte herum und stürmte davon. Als er zurückkehrte, lag der schlaffe Leib Zweiblums auf seiner Schulter. Der Mann – das Wesen – war klein und dürr, trug eine seltsame Kniehose und ein buntes Hemd. Die Farben seiner Kleidung bildeten einen so grellen Kontrast zueinander, daß Schleichers empfindsame Augen selbst im Zwielicht Anstoß daran nahmen.
»Offenbar sind keine Knochen gebrochen«, sagte Rincewind. Er atmete schwer. Bravd zwinkerte Schleicher zu und trat dann an jenes Etwas heran, in dem sie zunächst eine Art Lasttier sahen.
»Haltet euch davon fern!« Rincewind untersuchte noch immer den bewußtlosen Zweiblum. »Eine große Macht schützt es, glaubt mir.«
»Ein Zauber?« fragte Schleicher und ging in die Hocke.
»Nei-ein. Aber eine Art Magie. Glaube ich jedenfalls. Allerdings nicht die übliche Sorte. Ich meine, es kann Gold in Kupfer verwandeln, obwohl es Gold bleibt. Es macht Männer reich, indem es ihr Eigentum zerstört. Es erlaubt den Schwachen, unerschrocken unter Dieben zu wandeln. Es marschiert durch die dicksten Türen, um streng bewachte Schätze zu erreichen. Mich hat es versklavt, und
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