Die Farben der Sehnsucht
aber sie war nicht bereit, zu heucheln. „Weißt du, was ich dachte?“, fragte sie und spürte, wie traurig sie war, dass ihre Hochzeit ihr dermaßen entglitten war.
„Du hast dich darauf gefreut, dass wir heute Abend ein bisschen Zeit für uns beide haben. Das werden wir auch haben, Alix. Das verspreche ich dir. Sobald wir die Einladungskarten ausgesucht haben.“ Jordan nahm einen Schluck von seinem Kaffee.
„Nein, das ist es nicht“, entgegnete sie wehmütig. „Als du mir den Verlobungsring geschenkt hast und wir uns über die Hochzeit unterhalten haben …“ Sie hielt kurz inne. „Ich dachte, dass es eine kleine Feier wird und dass ich die Einladungen selbst gestalte.“
„Echt?“ Jordan wirkte beeindruckt. „Vielleicht können wir sie zusammen machen.“
Alix bezweifelte das. „Wie viele Leute stehen denn auf der Liste deiner Mutter?“, wollte sie wissen. Es stand außer Frage, dass ihre eigene deutlich kürzer ausfallen würde.
„Dreihundert beim letzten Durchzählen.“
Alix’ Puls schnellte in die Höhe. „Drei hundert Leute?“
„Einladungen“, korrigierte er und hatte offenbar nicht gemerkt, was seine Antwort in ihr ausgelöst hatte. „Das bedeutet, dass circa fünfhundert Leute kommen.“
„Das kann nicht dein Ernst sein!“
„Alix, mein Vater ist Pastor. Du würdest nicht glauben, wie viele Freunde und Mitarbeiter meine Eltern haben. Mom hat die Liste schon auf dreihundert Einladungen zusammengekürzt. Wenn ich dir verraten würde, mit wie vielen Einladungen sie begonnen hat, würdest du eine Panikattacke bekommen.“
„Ich habe gerade eine.“
Jordan grinste und glaubte, dass sie einen Scherz machte.
Doch sie machte keinen Scherz.
Die bloße Vorstellung, den Mittelgang der mit völlig fremden Menschen gefüllten Kirche entlangzuschreiten, reichte aus, damit Alix übel wurde.
„Ich hoffe, du merkst jetzt, wie sehr ich dich liebe“, murmelte sie.
Jordan grinste wieder und griff nach seinem Kaffee. „Das weiß ich doch.“
„Können wir nicht über etwas anderes als die Hochzeit reden?“, fragte sie. Die Innenseite ihrer Armbeuge begann zu jucken, und sie vermutete, dass ihre Nesselsucht wieder ausbrach. Seit sie ein Kind war, hatte sie keine Nesselsucht mehr gehabt und geglaubt, dass sie diese Krankheit, die in Stresssituationen auftrat, überwunden hatte. Offensichtlich hatte sie damit falsch gelegen …
„Sicher“, stimmte er zu. „Worüber möchtest du reden?“
„Äh …“ Noch vor ein paar Minuten hatte sie Dutzende von Themen gehabt, die sie gern mit Jordan besprechen wollte. Doch plötzlich war ihr Kopf wie leer gefegt. „Ich war zum ersten Mal im Strickkurs für den Gebetsschal.“
„Und wie lief es?“
„Ganz gut, denke ich.“
„Erzähl mir von den anderen Teilnehmern des Kurses“, sagte er.
„Es sind außer mir nur noch zwei andere Frauen dabei. Susannah und Colette.“ Alix liebte das Arbeiten in kleinen Gruppen. Sie hatte Lydia geholfen, Susannah die ersten Schritte beizubringen. Denn die hatte ähnliche Probleme gehabt wie Alix, als sie mit dem Stricken begonnen hatte.
„Susannah, die Besitzerin von Susannah’s Garden? “
Alix verkrampfte sich augenblicklich. „Ich vermute, deine Mutter ist sauer, weil ich noch nicht über die Blumendeko entschieden habe?“
Jordan stieß einen verärgerten Seufzer aus.„Alix, wir wollten doch nicht über die Hochzeit reden – schon vergessen?“
„Richtig.“ Alix entspannte sich wieder. Es kam ihr so vor, als gäbe es immer irgendetwas , das sie im Hinblick auf die Hochzeit tun sollte – oder hätte tun sollen.
„Okay. Du strickst also einen Gebetsschal.“
Sie nickte. „Lydia hat uns etwas über Gebetsschals erzählt. Einige kirchliche Gruppen nehmen solche Schals offenbar mit in Altenheime und integrieren sie in ihren Dienst. Lydia sagte, dass man die Schals in der Pflege kranker Familienmitglieder oder Freunde benutzte. Daraus erwuchs diese Tradition. Aber ich denke nicht, dass der Beschenkte unbedingt krank sein muss. Der Schal ist … ein kleines Zeichen der Liebe“, sagte sie, einer plötzlichen Eingebung folgend.
Jordan lächelte anerkennend.
„Ich werde deinen Vorschlag aufgreifen und meinen Schal für deine Grandma stricken.“ Sie sah, dass Jordan diese Vorstellung gefiel.
„Alix, sie wird dich dafür lieben.“ In seinen braunen Augen konnte sie lesen, wie sehr er diese Geste schätzte. „Du hast einen bleibenden Eindruck bei ihr hinterlassen, weißt du das
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