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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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sagte ich und prüfte, ob sich alles unter den Schleiern befand. Eine Kante des Weidenkorbs schaute noch hervor. »Moment«, sagte ich und angelte ihn mit dem Fuß zu mir.
    »Ich fragte, fertig?«
    »Problemloses und erschwingliches Reisen erweiterte den Horizont der Victorianer und zerbrach die starren Grenzen zwischen den Klassen, die…«
    Der Seraph hob die Schleier, riß die Stöpsel aus meinem Ohr, und ging zur Konsole zurück.
    »Fertig?« fragte sie.
    »Ja.«
    »Moment!« sagte ich. »Ich weiß ja gar nicht, wohin ich gehe.«
    »Siebter Juni 1888«, erwiderte sie und tippte weiter.
    »Ich meine doch, danach«, sagte ich und versuchte, eine Öffnung in den Schleiern zu finden. »Ich habe Mr. Dunworthys Instruktionen nicht ganz verstanden. Wegen der Zeitkrankheit.« Ich deutete auf mein Ohr. »Schwierigkeiten, Laute zu unterscheiden.«
    »Eher Schwierigkeiten beim Denken«, sagte sie. »Ich habe keine Zeit dafür«, und stürmte aus dem Raum.
    »Wo ist Mr. Dunworthy?« hörte ich ihre Stimme im Korridor. Wahrscheinlich stand dort Finch.
    Dunworthy hatte etwas von Muchings End gesagt und über ein Boot. Oder war das aus dem Ohrstöpsel gekommen? »Der Job ist kinderleicht«, hatte er gesagt.
    »Wo ist er?« Ich hörte wieder den Seraphen, und seine Stimme ähnelte erschreckend der von Lady Schrapnell.
    »Wer ist wo?« fragte Finch.
    »Sie wissen nur zu gut, wer«, sagte sie in dröhnendem Tonfall. »Und sagen Sie mir nicht noch einmal, er sei im Krankenhaus. Es reicht jetzt mit dem Versteckspiel. Er ist hier. Stimmt’s?«
    Oh, mein Gott!
    »Gehen Sie von dieser Tür weg und lassen Sie mich durch«, donnerte Lady Schrapnell. »Er ist hier.«
    Ich ließ mit einem lauten Schlag das Gepäck fallen und schaute panisch um mich, um ein geeignetes Versteck zu finden.
    »Nein, ist er nicht«, sagte Finch tapfer. »Er ist drüben im Radcliffe Krankenhaus.«
    Es gab kein Versteck für mich, zumindest nicht in diesem Jahrhundert. Ich kroch unter den Schleiern hervor und sprintete zur Konsole, betend, daß der Seraph wirklich bereits alle nötigen Vorbereitungen getroffen hatte.
    »Ich sagte, lassen Sie mich vorbei!« befahl Lady Schrapnell. »Badri, schaffen Sie ihn von der Tür weg. Mr. Henry ist hier, und ich beabsichtige, ihn auf die Suche nach des Bischofs Vogeltränke zu schicken, anstatt ihn hier in der Gegenwart herumlungern zu lassen, mit der Behauptung, er leide an der Zeitkrankheit.«
    »Aber er hat die Zeitkrankheit«, sagte Finch. »Sogar einen schweren Schub. Seine Sicht ist verschwommen, er hat Schwierigkeiten, Laute zu unterscheiden, und sein Urteilsvermögen ist ernsthaft in Mitleidenschaft gezogen.«
    Der Konsolenschirm sagte: »Bereit. Drücken Sie SENDEN.« Ich maß die Entfernung zum Netz ab.
    »Er ist nicht in der Lage, weitere Sprünge zu machen«, sagte Finch.
    »Blödsinn«, erwiderte Lady Schrapnell. »Und jetzt gehen Sie sofort von dieser Tür weg!«
    Ich holte tief Luft, drückte SENDEN und hechtete kopfüber zum Netz.
    »Bitte, glauben Sie mir.« Finchs Stimme klang verzweifelt. »Er ist nicht hier. Er ist drüben in Christ Church.«
    »AUS DEM WEG!« sagte sie, und man hörte Gerangel.
    Ich schlitterte mit dem Gesicht voran auf das X. Die Schleier senkten sich auf meinen Fuß. Ich zog ihn mit einem Ruck nach.
    »Mr. Henry, ich weiß, daß Sie hier sind!« Die Tür wurde aufgerissen.
    »Ich sagte Ihnen doch, er ist nicht hier«, sagte Finch.
    Und so war es.

»Liebe findet zuletzt ihr Stündlein.«
    William Shakespeare
     
4. Kapitel
     
     
    Eine plötzliche Ankunft • Der Unterschied zwischen Literatur und dem wirklichen Leben • Die Ähnlichkeit zwischen dem Geräusch einer Eisenbahnsignalpfeife und einer Luftschutzsirene • Ich denke über meinen Auftrag nach • Howard’s End • Eine Zeitung zur rechten Zeit • Zwei Damen • Eine späte Ankunft Kontakt! • »Oxford, Stadt der träumenden Türme« • Eine modische Erscheinung • Schicksal • Warum sich Kaninchen von Schlangen hypnotisieren lassen • Eine neue Bekanntschaft
     
     
    Ich landete mit dem Gesicht voran, quer über Eisenbahngleisen liegend. Das Portmanteau und alles andere lagen um mich verstreut, zusammen mit meinem Strohhut, der mir vom Kopf gefallen war, als ich ins Netz hechtete.
    Die Stimme von Lady Schrapnell dröhnte noch in meinem Ohr, und ich erhob mich und spähte vorsichtig um mich, sah aber nichts von ihr. Und auch kein Boot oder einen Fluß. Die Eisenbahngleise verliefen auf einem grasbedeckten hohen

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