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Die Farben der Zeit

Die Farben der Zeit

Titel: Die Farben der Zeit Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Connie Willis
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ich, daß er das gesagt hatte. Die Entwarnung hatte wieder begonnen und wurde jetzt von einem steten, dröhnenden Klopfen begleitet, das wie Flakfeuer klang.
    »Und Mehlsprüngen.«
    »Ja, Sir«, sagte T. J. und verschwand.
    »Finch, wo ist das Lätzchen?« fragte Dunworthy.
    »Hier«, sagte Finch, aber das konnte auch nicht stimmen. Ich trug kein Lätzchen, sondern weiße Flanellhosen und eine Weste. Wo war mein Hut? Im victorianischen Zeitalter ging man stets mit Hut, oder? Zylinder und diese harten runden Dinger. Wie hießen sie noch gleich? Es fing mit einem B an.
    Der Seraph lehnte sich über mich, was hieß, daß ich mich wieder hingesetzt haben mußte. Sie zog mich hoch, damit ich Jacken anprobieren konnte.
    »Stecken Sie den Arm dadurch«, sagte sie und warf mir eine kastanienbraun gestreifte zu. »Nein, den linken Arm.«
    »Die Ärmel sind zu kurz«, sagte ich mit einem Blick auf meine herausragenden Handgelenke.
    »Wie ist Ihr Name?«
    »Mein Name?« sagte ich. Was hatte das mit den zu kurzen Ärmeln zu tun?
    »Ihren Namen!« Sie riß mir die kastanienbraune Jacke aus der Hand und schob mir eine rote zu.
    »Ned Henry.« Diesmal hingen mir die Jackenärmel weit über den Handrücken.
    »Gut«, sagte sie, zog die rote aus und reichte mir eine dunkelblau und weiß gestreifte. »Dann brauche ich mir zumindest keinen zeitgenössischen Namen für Sie auszudenken.« Sie zupfte an den Ärmeln. »Das muß gehen. Und gehen Sie bitte nicht in der Themse damit schwimmen. Ich habe keine Zeit, noch mehr Kostüme vorzubereiten.« Sie drückte mir einen Strohhut auf den Kopf. Dann setzte sie sich wieder tastenhämmernd vor die Konsole.
    »Ich glaub’s einfach nicht, daß Badri noch nicht zurück ist«, sagte sie. »Mich hier mit diesem ganzen Kram allein zu lassen. Koordinaten setzen. Kostüme herbeischaffen. Und zwischenzeitlich wartet ein Historiker schon seit einer dreiviertel Stunde darauf, zurückspringen zu können. Na ja, Ihr Sprung soll mal schön warten, denn die unverheirateten Mädchen wurden immer von Anstandsdamen begleitet, meistens einem älteren Mädchen oder einer Tante, und bevor sie nicht verlobt waren, war es ihnen nicht gestattet, mit einem Mann allein zu bleiben. Ned, hören Sie gut zu.«
    »Tu ich ja«, sagte ich. »Unverheiratete Mädchen wurden immer von einer Anstandsdame begleitet.«
    »Ich sagte Ihnen ja, daß ich das Ganze für keine gute Idee halte«, sagte Finch, der auch wieder anwesend war.
    »Es gibt sonst keinen, der verfügbar wäre«, erwiderte Dunworthy. »Ned, hören Sie gut zu. Ich erkläre Ihnen jetzt Ihren Auftrag. Sie kommen am siebten Juni 1888 um zehn Uhr morgens an. Der Fluß liegt links von der Dessertgabel, die man für Gateaux und Puddings benutzt. Das Dessertmesser benutzt man für Muchings End und Nachtische…«
    Nachtische. – Naiaden! So hieß das Gemälde. Hylas und die Naiaden. Er ging, den Wasserkrug zu füllen, und sie zogen ihn zu sich hinab, tiefer und tiefer, umschlangen ihn mit ihrem nassen Haar und ihren feuchten Ärmeln.
    »Sobald es abgeliefert ist, können Sie tun, was immer Ihnen beliebt. Der Rest der zwei Wochen steht Ihnen zur Verfügung. Sie können auf der Themse oder rechts von dem Dessertteller Boot fahren, mit der Schneide zum Tellerrand hin.« Er klopfte mir auf die Schulter »Verstanden?«
    »Häh?« fragte ich, aber Dunworthy hörte nicht zu. Er schaute zum Netz. Ein lautes Brummen lag in der Luft, welches das Flakfeuer zu übertönen drohte, und die Schleier des Netzes begannen sich zu senken.
    »Was ist das?« fragte Dunworthy.
    »Das Rendezvous«, sagte der Seraph, auf die Tasten schlagend. »Ich konnte den Mann ja schlecht für immer und ewig dort lassen. Sie können springen, sobald ich ihn durchgebracht habe.«
    »Gut.« Dunworthy klopfte mir auf die Schulter. »Ned, ich verlasse mich auf Sie«, sagte er durch das Summen.
    Die Schleier berührten den Boden, sanfte Falten schlagend. Das Summen steigerte sich zu einem durchdringenden Dröhnen, bis es wie die Entwarnungssirene klang, die Luft schimmerte feucht. Carruthers erschien im Netz und versuchte sofort, sich aus den Schleiern freizukämpfen.
    »Stillstehen und abwarten, bis sich die Schleier gehoben haben«, befahl der Seraph und hämmerte auf die Tasten ein. Die Schleier hoben sich eine Handbreit und bewegten sich nicht mehr.
    »Abwarten?« Carruthers versuchte, unter ihnen hervorzukriechen. »Abwarten? Ich warte seit gut zwei Stunden!« Er rang mit dem Material. »Wo, um

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