Die Farben der Zeit
einen Rüschenbesatz, ebenso ihre kurzen weißen Handschuhe. Alle diese Rüschen bewegten sich, wie Fahnen, die in die Schlacht getragen wurden. Auf ihrem Hut befanden sich keine Rüschen, aber wie zum Ausgleich dafür flatterten rosa Bänder herab. Bei jedem Windhauch lockte sich das blonde Haar unter dem Hut und wippte.
»Schau, Cousine, es ist Mr. St. Trewes«, rief sie und kam den Hügel heruntergelaufen, wobei alles an ihr noch mehr in Bewegung geriet. »Ich sagte dir doch, er würde kommen!«
»Tossie«, erwiderte die Erscheinung in Weiß tadelnd, aber Tossie rannte bereits auf den Treidelpfad zu, wobei sie ihre wippenden Röcke gerade genug raffte, daß man die Zehen ungemein kleiner, schnell trippelnder Füße in weißen Schühchen sehen konnte.
Sie erreichte die Uferkante, hielt inne – zumindest das meiste von ihr –, beglückte uns mit einem flatternden Augenaufschlag und sagte zu Cyril: »Ist das süße Hundie wieder zu seiner Tossie gekommen? Tossie hat ihr Hundie so vermißt.«
Cyril schaute erschrocken.
»War unser Hundie auch brav?« gurrte Tossie. »Sein Herrchen aber nicht. War ein ganz garstiger Junge. Kam und kam nicht.«
»Wir wurden aufgehalten«, warf Terence ein. »Professor Peddick…«
»Tossie hatte schon solche Aaangst, daß dieser vergeeeßliche Junge auch sie vergeeeßen haben könnte, nicht wahr, Sssyril?«
Cyril warf Terence einen resignierten Blick zu und trabte hin zu ihr, um sich den Kopf tätscheln zu lassen.
»Oh! Oh!« rief Tossie. Irgendwie brachte sie es fertig, daß es genauso klang, wie ich es in Romanen aus dem victorianischen Zeitalter gelesen hatte. »Oh!«
Cyril blieb verwirrt stehen und schaute Terence an. Dann lief er weiter.
»Böser, böser Hund!« sagte Tossie, die Lippen spitzend, um eine Reihe kleiner Schreie auszustoßen. »Dieses fürchterliche Geschöpf wird mein Kleid ruinieren. Es ist Seidenmusselin.« Sie raffte ihre Röcke nach hinten, aus Cyrils Reichweite. »Papa hat es extra für mich in Paris anfertigen lassen.«
Terence schoß nach vorn und packte Cyril, der bereits zurückgewichen war, am Halsband. »Ich muß mich für Cyrils Benehmen entschuldigen«, sagte er, »ebenso für mein Zuspätkommen. Wir mußten meinen Tutor vor dem Ertrinken retten.«
Die Cousine kam herbei. »Hallo, Cyril«, sagte sie freundlich und kniete sich hin, um den Hund hinter den Ohren zu kraulen. »Hallo, Mr. St. Trewes. Wie schön, Sie wiederzusehen.« Ihre Stimme klang kultiviert und gelassen, ohne eine Spur von Babysprache. »Bedeutet Ihr Hiersein, daß Sie Prinzessin Arjumand gefunden haben?«
»O ja, erzählen Sie«, bat Tossie verspätet. »Haben Sie meine arme verlorengegangene Juju gefunden?«
»Leider nein«, sagte Terence. »Aber wir haben vor, weiterzusuchen. Darf ich Ihnen Mr. Henry vorstellen? Mr. Henry – Miss Mering und Miss Brown.«
»Guten Tag, Miss Mering. Guten Tag, Miss Brown«, sagte ich und tippte an meinen Strohhut, wie die Sublimationskassetten mich instruiert hatten.
»Mr. Henry und ich haben ein Boot gemietet.« Terence zeigte zum Fuß der Brücke, wo man die Bootsspitze gerade noch erblicken konnte. »Wir beabsichtigen, jeden Zentimeter der Themse zu erforschen.«
»Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte Miss Brown, »aber ich habe keinen Zweifel daran, daß wir, wenn wir heute abend nach Hause zurückkehren, die Katze gesund und munter vorfinden werden.«
»Nach Hause?« fragte Terence bestürzt.
»Ja«, entgegnete Tossie. »Wir fahren heute nach Muchings End zurück. Mama hat eine Nachricht erhalten, daß wir dort benötigt werden.«
»Ich hoffe, daß nichts Schlimmes passiert ist, das Sie nach Hause zurückruft«, sagte Terence.
»O nein«, erwiderte Tossie, »so eine Nachricht war das nicht. Die Nachricht kam von der Anderen Seite. Sie sagte ›Kehre nach Muchings End zurück, um dort dein glückliches Schicksal zu erwarten‹. Also ist Mama fest entschlossen, sofort zu fahren. Wir nehmen den Abendzug.«
»Ja«, mischte sich Miss Brown ein. »Wir sollten zu Madame Iritosky zurückkehren.« Sie streckte eine behandschuhte Rechte aus. »Danke, daß Sie sich so freundlich um Prinzessin Arjumand bemüht haben. Es hat mich gefreut, Sie kennenzulernen, Mr. Henry.«
»Aber wir müssen doch nicht sofort zurück, Cousine Verity«, sagte Tossie. »Der Zug fährt erst um halb sieben. Und Mr. St. Trewes und Mr. Henry haben die Kirche noch nicht besichtigt.«
»Es ist ein recht langer Weg bis zu Madame Iritoskys Haus«, protestierte
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