Die Farm am Eukalyptushain
und der Himmel feurig glühte. Dann nahm er den Karton mit den Papieren und drehte zum letzten Mal den Schlüssel im Schloss. Er ging den Weg hinunter und durch das Tor zu seinem Wagen. Als er den Karton neben sich auf den Beifahrersitz stellte, fragte er sich, warum er ausgerechnet diese Papiere behalten hatte. Es waren alte Terminkalender, Rechnungsbücher und Akten über uralte Fälle, die sein Vater interessant gefunden hatte. Wahrscheinlich konnte man das alles verbrennen.
Doch es widerstrebte ihm, etwas zu vernichten, was von dem Leben übrig war, für das sein Vater gestanden hatte. Charles erinnerte sich gut an die Geschichten über das Hotel und den verschwundenen Engländer. Er war sogar oben in dem alten Gebäude gewesen und hatte sich dort umgesehen. Es war jetzt verfallen, aber Charles wusste seit langem, dass das ungelöste Geheimnis um die Menschen, die einmal dort gelebt hatten, seinem Vater bis zu seinem Tod keine Ruhe gelassen hatte.
Er saß im Wagen und starrte hinaus in die herabsinkende Dunkelheit. Das Hotel mochte eine Ruine sein, aber bei der Erinnerung daran schauderte ihn immer noch. Zahllose Gerüchte hatten die Runde gemacht, und wie bei allen Gerüchten war ein Körnchen Wahrheit darin versteckt. Es hieß, das Haus sei verflucht, und bei seinem Besuch dort hatte er es gern geglaubt.
Ein reicher Farmer hatte es im 19. Jahrhundert gebaut, ein Schotte, der zu Geld gekommen war und den Gutsherren hatte spielen wollen. Als es fast fertig war, wollte er die Bauarbeiten inspizieren, doch da löste sich ein riesiger Kronleuchter, den er aus Europa importiert hatte, aus seiner Verankerung und stürzte auf ihn. Der Mann war auf der Stelle tot.
Später stellte man fest, dass der Deckenbalken nicht stark genug gewesen war. Charles hatte den Verdacht, dass der Bauunternehmer aus Gewinnsucht nachlässig gearbeitet hatte. Trotzdem sah es in der Tat so aus, als liege ein Fluch auf dem Haus. Wenig später war der Sohn des Schotten mit seiner Frau eingezogen; sie hatte es nur widerstrebend getan, und als ihr Mann eines Tages tot am Fuße einer Treppe lag, war sie davon überzeugt, dass der Fluch tatsächlich existierte.
Charles dachte sich, dass es wahrscheinlich nur ein tragischer Unglücksfall war; manche Familien zogen das Pech magnetisch an. Aber das Haus war mehrfach kurz nacheinander verkauft worden, und anscheinend hatte niemand mehr als ein paar Monate darin verbringen wollen. Dann hatte Dimitri es erworben undUnmengen von Geld und Zeit hineingesteckt, um ein Hotel daraus zu machen. Aber der Russe, sein Freund Kane, die Frau und das Kind waren spurlos verschwunden. Ruhte wirklich ein Fluch auf diesem Haus – oder gab es eine noch dunklere Erklärung?
Charles drehte den Schlüssel im Schloss und ließ den Wagen langsam die schmale Straße hinunterrollen. Er war Realist und gab nichts auf Gerüchte und Spekulationen. Aber unerledigte Fälle konnte er ebenso wenig leiden wie sein Vater. Bei den Fortschritten in Technologie und Kommunikation, die in den letzten Jahrzehnten gemacht worden waren, gab es vielleicht noch eine Chance, endlich die Wahrheit ans Licht zu bringen. Es wäre ein schönes und letztes Geschenk an das Andenken seines Vaters, wenn er diesen Fall ein für alle Mal lösen könnte.
1969 sollte Catriona nach langen Jahren des Suchens endlich erfahren, was aus ihrer Tochter geworden war. Clemmie saß bei ihr, als sie den Stapel Unterlagen durchsah, den John so sorgfältig zusammengestellt hatte. »Nimm dir Zeit«, sagte sie. »Es ist ziemlich viel, und ich muss dich warnen, Kitty: Nicht alles ist erfreulich.«
Catriona nickte. »In meinem Zustand weiß ich überhaupt nicht, was ich fühle.« Sie betrachtete die Papiere, die vor ihr lagen. »Ich bin aufgeregt, nervös, erwartungsvoll und fürchte mich vor dem, was ich vielleicht erfahren werde.«
Clemmie tätschelte ihre Hand. »Klingt wie Lampenfieber, finde ich«, sagte sie sanft. »Erinnere dich an das, was dir dein Stimmtrainer vor dem Auftritt immer sagt: Wende diese Energie ins Positive, dann gibt sie dir Kraft.«
Catriona lächelte ihre Freundin an. Sie holte tief Luft und fing an zu lesen.
Die Krankenhausakten zeigten, dass ihr Baby dort geblieben war, bis es ein bisschen zugenommen hatte. Nach sechs Wochen hatte man das Mädchen in das benachbarte Waisenhaus gebracht. Traurigen Herzens erkannte Catriona, wie nah es ihr die ganzeZeit gewesen war, ohne es zu wissen. Velda hatte sie belogen, als sie ihr erklärt hatte,
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