Die Farm am Eukalyptushain
geworden.«
»Dann wird sie denken, du warst ein Flittchen«, sagte Clemmie steif. »Du warst dreizehn, vergiss das nicht.«
»Dann lüge ich eben. Erfinde irgendetwas.«
»Nicht das beste Fundament für eine Beziehung«, sagte Clemmie missmutig.
»Warum spielst du den Advocatus Diaboli?«, schrie Catriona aufgebracht.
Clemmie stand auf und nahm die Schluchzende fest in die Arme. »Weil ich dich gern habe«, sagte sie leise. »Weil du die beste Freundin bist, die ich habe. Und weil ich nicht möchte, dass du dir oder deiner Tochter wehtust.« Sie ließ Catriona los und strich ihr die langen dunklen Haare aus dem Gesicht. »Vielleicht kannst du ja nicht mit ihr sprechen, Kitty, aber es gibt noch andere Möglichkeiten.«
Catriona wischte sich die Tränen aus den Augen und putzte sich die Nase. Sie trank den Whisky aus und stellte das Glas auf den niedrigen Tisch neben die Farbfotos, die John in seine Dokumentenmappe geheftet hatte. Sie nahm die Fotos und vertiefte sich in den Anblick dieser jungen Frau, die sie nur bei der Geburt gesehen hatte. »Du hast Recht wie immer«, gab sie leise zu. »Was würde ich ohne dich machen?«
Die beiden Frauen umarmten einander, und Clemmie verabschiedete sich, damit Catriona sich für den Abend vorbereiten konnte. Aber Catriona hatte nicht die Absicht aufzutreten. Sierief im Konservatorium an, und zum ersten Mal in ihrer Laufbahn verstellte sie sich und erklärte mit heiserer Stimme, sie habe eine wunde Kehle. Der Produzent war darüber nicht erfreut, aber das war ihr egal; sie hatte in über dreißig Jahren keinen Auftritt versäumt, und es wurde Zeit, dass sie einmal einen Abend freinahm. Außerdem hatte sie an wichtigere Dinge zu denken, und das würde ihren Gesang beeinträchtigen.
Es wurde dunkel, und überall in Sydney gingen die Lichter an. Sie schaute hinaus auf das prachtvolle Bauwerk, das langsam aus dem Schutt und Verfall am Circular Quay emporwuchs. Das Opernhaus war fast fertig, und es versprach ein Triumph der Architektur und der Phantasie zu werden – ganz anders als die alte Town Hall und das Konservatorium. Wie beneidete sie die Sopran- und Altsängerinnen, die hier ihr Debüt geben würden!
Catriona wandte sich vom Fenster ab und setzte sich an den antiken Schreibtisch. Er war voll gestopft mit Programmen und Handzetteln, mit Briefen von Fans, Dirigenten und Kolleginnen. Ich habe ein gesegnetes Leben gehabt, erkannte sie. Zwar habe ich nie geheiratet oder das Glück erfahren, eigene Kinder aufwachsen zu sehen, aber ich habe fast alles erreicht, was ich mir gewünscht hatte. Ich habe Belvedere und Poppys Enkelkinder, eine blühende, erfolgreiche Karriere und genug Geld für einen komfortablen Ruhestand.
Trotzdem erschien ihr das alles hohl und leer, wenn sie es nicht mit ihrer einzigen Tochter teilen konnte.
Nach langem Nachdenken fing sie an, den Brief zu schreiben, der ihr hoffentlich ihren letzten Traum erfüllen würde.
FÜNFZEHN
J ahrelang hatte Connor darum gebettelt, und jetzt endlich durfte er dabei sein, wenn die Brumbys zusammengetrieben wurden, die wilden Ponys des Outback. Dieses Erlebnis übertraf seine kühnsten Erwartungen, und er verbrachte jede verfügbare Stunde bei den Corrals, wo Billy Birdsong sich daranmachte, die wilden, schönen Pferde zu zähmen, die sie hereingeholt hatten. Seine Großmutter beklagte sich, weil er nie zu Hause war und die Schule darunter litt, aber das kümmerte ihn nicht. So wollte er leben, umgeben von Männern und den Geräuschen der Zureitekoppel – als freier Mensch in den Weiten dieses wunderbaren Landes und als Teil von Belvedere .
Als Billy das Pferd in die Koppel brachte, machte er sehnsuchtsvolle Augen. Es war nicht besonders groß, aber es galoppierte in den Ring, als ob er ihm gehörte. Schweif und Mähne wehten im Wind, und die weiße Blesse auf der Nase hob sich scharf vom kastanienbraunen Fell ab. Es war kein echtes Brumby; irgendwann war es von den Koppeln von Belvedere entkommen und hatte sich der Herde angeschlossen.
Das Tier war wütend, weil es eingefangen worden war, und versuchte, aus dem Corral zu entfliehen; es schlug mit den Vorderhufen in die Luft und wieherte laut. Connor saß auf dem Zaunbalken und beobachtete Billy. Ein Pferd zuzureiten, das war wie ein Ballett: ein langsames, fast sinnliches Wechselspiel zwischen dem entschlossenen Mann und dem widerstrebendenPferd im Staub der Koppel. Das Tier war feurig und widerspenstig, der Mann eine wachsame Sirene, die es mit sanfter
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