Die Farm am Eukalyptushain
körperliche Anstrengung beim Schrubben, Wischen und Aufräumen wirkte seltsam befreiend, denn dabei kam sie nicht zum Nachdenken. Die Spinnweben erwiesen sich als besonders widerspenstig, aber schließlich hatte sie sie doch allesamt beseitigt, und sie hatte den Boden gefegt und den größten Teil der Schuhe und Kleidungsstücke in einem Schrank verstaut.
Als die Küche einigermaßen aufgeräumt aussah, bezog sie die Betten frisch und ließ die Waschmaschine laufen, und danach machte sie sich ein Sandwich aus kaltem Hammelfleisch und frischem Brot, das heute Morgen aus dem Ofen gekommen war, und ging damit ins Wohnzimmer. Es gab immer noch eine Menge zu tun, aber das konnte warten.
Sie hatte dieses Zimmer sehr gern. Es war nicht groß, und ein riesiger Pfefferbaum neben dem Haus überschattete die Fenster. Durch seine Wedel konnte man die Corrals und die Schlafbaracke sehen. Die Couch war bequem, und wenn sie sich in die Polster schmiegte, hatte sie das Gefühl, hier könne nichts Schlimmes geschehen. Die eine Wand war zum größten Teil mit Glas- und Porzellanvitrinen ausgefüllt, und der Rolltop-Sekretär quoll über von Terminkalendern, Briefen und Konzertprogrammen. Unterdem vorderen Fenster bogen sich zwei Bücherborde. Der Stutzflügel davor war mit einem Fransentuch bedeckt, auf dem silbergerahmte Fotos standen. Er musste gestimmt werden. Der Mann sollte in ein paar Tagen kommen, und hoffentlich würde er den Termin auch einhalten und sie nicht wieder versetzen. Das Klavierspielen fehlte ihr, und sie wollte, dass das Instrument zur Party wieder spielbereit war.
Sie ging zu dem gemauerten Kamin und betrachtete die Porträts an der Wand darüber. Ihre Eltern mit den dunklen irischen Haaren waren ein hübsches Paar gewesen, und in ihrem eigenen Porträt sah sie die Ähnlichkeit mit ihnen. Als sie das Bild betrachtete, wurde ihr von Neuem bewusst, wie viele Jahre vergangen waren. Damals hatte sie in der Blüte ihres Lebens gestanden – schön, talentiert und begehrt. Nichts ließ den düsteren Schatten ahnen, der über ihr lastete, und nichts verriet, was die veilchenblauen Augen gesehen hatten. Sie war eine vollendete Schauspielerin.
Das Abendkleid, das sie auf dem Bild trug, war aus rotem Samt; vorteilhaft umrahmte es die schmalen Schultern und zeigte ein cremeweißes Dekolleté. In den Rubinohrringen und der Diamantkette spiegelte sich das Feuer ihrer Augen. Das schwarze Haar war mit einem Sträußchen aus perfekten Orchideen kunstvoll hinter das Ohr gesteckt, und der schlanke Hals war verführerisch gebogen und gab eine Andeutung von der Leidenschaft, die bei dieser eleganten jungen Frau so dicht unter der Oberfläche glühte. Der Maler hatte gut ausgesehen, erinnerte sie sich, und er war ein aufregender Liebhaber gewesen. Einen kurzen Moment lang fragte sie sich, ob er wohl noch lebte und ob er sich an diesen leidenschaftlichen Monat in Paris erinnerte, als sie die Chaiselongue in seinem Atelier kaum jemals verlassen hatten. »Wahrscheinlich nicht«, knurrte sie und wandte sich ab. »Liebhaber kommen, Liebhaber gehen. Ich sollte es wissen. Ich habe genug davon gehabt.«
Lächelnd griff sie zu ihrem Sandwich. Clemmie hatte sich immer so gern von den Männern erzählen lassen, die sie auf ihren Tourneen kennen gelernt hatte. Wie hatten sie gelacht über Hank the Yank und über Jean Paul mit dem großen Schnurrbart, der so unaussprechlich gekitzelt hatte. Sie kicherte. Das waren Zeiten gewesen!
Als sie das Sandwich gegessen hatte, machte sie sich einen Gin Tonic, schaltete die Stereoanlage ein und machte es sich auf dem Sofa bequem. Die Puccini-Arie wehte durch das Zimmer. Catriona schloss die Augen, aber der Gedanke an das, was die Zukunft vielleicht bereithielt, machte sie unruhig. Angenehm würde es nicht sein, das stand fest. Aber die dunklen Seiten des Lebens waren ihr nicht fremd. Sie würde sich damit befassen, wenn es unumgänglich wurde.
Der Gin und die leise Musik begannen zu wirken. Sie dachte an ihre verlorene Tochter. Sie schrieb ihr längst keine Briefe mehr; es hatte keinen Sinn, denn nie hatte sie eine Antwort bekommen. Aber sie wünschte immer noch, es hätte anders sein können. Ihre Gedanken wanderten weiter zu Rosa, Connor und Harriet, und sie lächelte. Sie waren ein wunderbarer Ausgleich, ein unbezahlbares Geschenk, mit dem sie gesegnet war.
Es war wieder hell, als Connor und die anderen nach Belvedere zurückkehrten. Sie waren drei Wochen fort gewesen und hatten ein ordentliches
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