Die Farm am Eukalyptushain
mitgebracht?«
»Na und?«, schrie Connor zurück.
Sofort war es still. Connor sah, dass alle Augen auf ihn gerichtet und alle Ohren neugierig gespitzt waren. »Stell mir das Essen hier auf’s Tablett«, knurrte er. »Wir essen heute Abend drüben im Haus.«
»Verdammt, du willst sie wohl für dich behalten, was?«, rief einer der Treiber.
»Yeah«, sagte Connor gedehnt. »Von euch Straßenkötern kommt keiner in die Nähe meiner Schwester.«
»Was ist denn mit der anderen? Sieht klasse aus. Könntest du doch mit uns teilen, Connor, alter Junge. Ich würde ihr schon zeigen, wo’s langgeht.«
»Unwahrscheinlich«, erwiderte Connor unter dem brüllenden Gelächter, das diese Äußerung hervorrief. Er grinste, denn der da gerufen hatte, war ein dürrer kleiner Kerl von mindestens fünfundfünfzig Jahren, dem die meisten Zähne und jegliche Lebensart fehlten. »Glaub nicht, dass sie auf einen alten Knacker wie dich steht, Kumpel. Aber ich kann dir die Telefonnummer ihrer Granny besorgen, wenn du willst.«
Wieder erhob sich ein brüllendes Gelächter, und Connor nahm das beladene Tablett und ergriff die Flucht. Als er über den Hof zum Farmhaus zuging, sah er, dass Rosa und Harriet ihn auf der Veranda erwarteten. Zumindest sind sie anständig angezogen, dachte er erleichtert.
Rosa umarmte ihn und gab ihm einen Kuss. »Worüber habt ihr so gelacht?«, fragte sie, als sie ihm die Fliegentür aufhielt und ihm in die Küche folgte.
»Was glaubst du wohl?« Er half ihr, das Essen auf den Tisch zu stellen. »Es wird mörderisch werden, diese Bande im Zaum zuhalten, solange ihr beide hier seid.« Er warf einen Blick zu Harriet hinüber.
»Ach was«, sagte Rosa wegwerfend. »Du weißt doch, wie sie sind, Con. Großes Maul und nichts dahinter. Ich wette, wenn Harriet und ich jetzt hinübergingen, hätten sie kein Wort zu sagen. Sie würden ihr Essen runterschlingen und sich rausschleichen, brav wie die Lämmer.«
Er grinste, denn er wusste, dass sie Recht hatte. Die Männer des Outback waren so exotische Frauen wie Rosa und Harriet nicht gewohnt; sie waren den Mädchen von Drum Creek gegenüber schon schüchtern genug. In der Männerwelt der Farm fühlten sie sich wohler, und von Rindern und Gras und der Unberechenbarkeit der Elemente verstanden sie weit mehr als von dem, was Frauen sich wünschten. Gebildete Frauen wie Rosa und Harriet würden sie als bedrohlich empfinden, als fremde Wesen aus der Großstadt – und somit unerreichbar. Nicht, dass ich selbst viel besser wäre, gestand er sich im Stillen ein, während er sich über sein Steak hermachte. Rosa verstand er, auch wenn die Distanz zwischen ihnen durch ihre Ausbildung und durch das Leben, das sie in der Stadt führte, ziemlich groß geworden war. Aber mit Harriet lagen die Dinge anders.
Er kannte sie von Kindesbeinen an, und Rosa hielt ihn in ihren Briefen auf dem Laufenden, aber inzwischen war sie zu einer sehr attraktiven jungen Frau herangewachsen. Das war beunruhigend, und ihm war unbehaglich, ihr so am Tisch gegenüberzusitzen. Sie wirkte so kühl und kultiviert und war anscheinend trotzdem völlig entspannt auf Belvedere .
Er blickte von seinem Teller auf und merkte, dass sie ihn anschaute. Ihre Augen hatten die Farbe eines tiefen Wassers. Er hielt ihrem Blick eine ganze Weile stand, bevor er lächelnd wegschaute. Harriet war ziemlich abgebrüht, daran war kein Zweifel. Aber wie dachte sie wirklich über die Farm – und über ihn? Es könnte interessant sein, das herauszufinden.
Harriet stieg aus dem Bett und streckte sich. Sie hatte gut geschlafen und fühlte sich erfrischt und bereit, den Tag in Angriff zu nehmen. Es war kühl, und sie fröstelte ein wenig. Also zog sie einen Pullover über das T-Shirt, das sie als Nachthemd getragen hatte, suchte sich ein Paar dicke Socken heraus und warf dann einen Blick auf das andere Bett. Rosa war unter den Decken begraben; nur ihre Stachelfrisur schaute heraus, und aus dem Kissen drang gedämpftes Schnarchen. Es wäre unfair, sie zu wecken.
Harriet tappte hinaus in die Küche. Helles Licht flutete durch das Fenster, und zu ihrem Erstaunen erkannte sie, dass es erst halb sechs war. Normalerweise nahm sie die Welt um diese Zeit noch nicht wahr. Fröstelnd lehnte sie sich an den warmen Herd. Es war erstaunlich kalt, obwohl der Sommer längst begonnen hatte, aber sie erinnerte sich an andere Besuche im Laufe der Jahre und hatte deshalb die dicken Skisocken mitgebracht, die sie jetzt als Pantoffeln
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