Die Farm am Eukalyptushain
José.
Die Aufführung erreichte ihren Höhepunkt, und dann erloschen die Lichter. Der Vorhang schloss sich unter donnerndem Applaus. Der Erste Tenor, der den José gesungen hatte, half ihr auf die Beine. Er war ein gut aussehender, aber eitler Mann. Schon seit Wochen wich Catriona seinen Annäherungsversuchen aus. Aber heute Abend ließ sie sich von ihm küssen. Adrenalin rauschte in ihren Adern. Sie war immer noch Carmen.
Sie hatte einen Vorhang nach dem anderen, die Bühne verschwand unter roten Rosen, die ihr zugeworfen wurden, und sie wusste: Sie hatte ihren Traum erreicht. Wie stolz wären ihre Eltern gewesen, wenn sie hätten sehen können, dass ihre Tochter ihren Platz auf der Bühne der Welt erobert hatte und die Huldigungen eines solchen Publikums entgegennahm. Wenn sie dochnoch da wären!, dachte Catriona, als sie endlich in ihre Garderobe gehen konnte. Doch der Geist ihrer Eltern würde immer bei ihr bleiben, sie beschützen und ihr Kraft geben.
In den nächsten elf Jahren wurde Catriona Summers zur unumstrittenen internationalen Diva. Sie sang die Rolle der Floria Tosca in der Scala in Mailand, die Prinzessin Turandot in der Metropolitan Opera in New York, sie war die Mimi in der Grand Opéra in Paris und die Manon Lescaut in Covent Garden. Sie bereiste Spanien und Lateinamerika und auch die USA, und hin und wieder kehrte sie nach Hause zurück und trat in kleineren Häusern in Sydney, Melbourne und Adelaide auf.
Im Jahr 1960 kehrte Catriona nach einem triumphalen Debüt in La Fenice in Venedig nach Sydney zurück. Sie hatte dort die komplexe und erschöpfende Titelrolle in Händels Alcina gesungen. Sie war jetzt neununddreißig.
Clemmie, John und Brin holten sie am Hafen ab und fuhren sie in die Wohnung am Fluss. Inzwischen gehörte ihr das Gebäude; nach einer umfassenden Renovierung war daraus ein luxuriöser Zufluchtsort geworden, wo sie sich von dem Getriebe ihres arbeitsreichen Lebens erholte. Sie war gern hier, aber ihr Tourneeplan ließ es nur selten zu; deshalb war Brin in die Parterrewohnung eingezogen und kümmerte sich um das Haus.
Brin, extravagant wie immer, hatte ihr einen Blumenstrauß mitgebracht. Er war inzwischen weit über sechzig, arbeitete jedoch immer noch am Theater. Catriona betete er an, und sie erwiderte dieses Gefühl. »Willkommen zu Hause, Darling«, rief er und küsste ihr die Hand. »Muss gleich wieder los – Matinee –, du weißt ja, wie das ist.«
»Er ändert sich nicht«, sagte Catriona leise. »Der liebe Brin. Europa hätte ihm so gut gefallen.«
»Du siehst gut aus«, sagte Clemmie, als John ihnen allen einen Drink einschenkte. »Ich wünschte, ich könnte meine Figur auchso gut halten.« Clemmie war kürzlich vierundfünfzig geworden, und sie hatte zugenommen. Es stand ihr gut, aber sie selbst fand, sie sehe matronenhaft aus.
»Du hättest dich nicht zur Ruhe setzen sollen.« Catriona streifte die hochhackigen Schuhe ab und wackelte mit den Zehen. »Du weißt doch, dass du dich nur langweilst, wenn du außer mir niemanden herumkommandieren kannst.« Sie lächelte, um zu zeigen, dass sie scherzte. Clemmie hatte ihre Agentur geschlossen, aber Catriona vertrat sie immer noch. »Und was meine Figur angeht – ich esse wie ein Scheunendrescher, und bei Proben und Auftritten schwitze ich wie ein Pferd. Wenn ich mich zur Ruhe setze, werde ich wahrscheinlich aufgehen wie ein Hefeteig.«
Alle lachten. Catriona setzte sich auf die Couch, zog die Beine unter sich und entspannte sich zum ersten Mal seit Ewigkeiten. »Natürlich hat es auch etwas mit Sex zu tun«, fuhr sie leise fort und kicherte, als John rot wurde. »Ihr habt keine Ahnung, was für ein Rausch das ist, vor so vielen Menschen auf der Bühne zu stehen. Die Musik, die Scheinwerfer, die ungeheure Leidenschaft der Oper – das alles ist ein wunderbares Aphrodisiakum. Ihr glaubt nicht, wie oft ich schon über Leute hinwegsteigen musste, die es in den Kulissen miteinander trieben.«
»Und du?« Clemmie schaute zu John hinüber, der sich hastig ins Nebenzimmer flüchtete. »Hast du inzwischen jemanden gefunden?«
Catriona verzog das Gesicht. »Da war ein reizender Maler in Paris. Er hat das Porträt da drüben gemalt. Wir haben in seinem Atelier miteinander geschlafen. Es war unglaublich – aber die Franzosen verstehen schließlich eine Menge vom Sex. Das Problem war nur, es war verdammt zugig in dieser Dachkammer. Ich hätte mir fast den Tod geholt.«
Die beiden kicherten wie zwei
Weitere Kostenlose Bücher