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Die Farm am Eukalyptushain

Die Farm am Eukalyptushain

Titel: Die Farm am Eukalyptushain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tamara McKinley
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ihre Jamsessions veranstaltet hatten.
    Die Zuhörer wollten gar nicht nach Hause gehen, und als das Konzert schließlich zu Ende war, wurde der Himmel schon hell. Catriona und Bobby verließen die Bühne, aber sie mussten noch fast eine Stunde lang Autogramme geben und für Fotos posieren. Als sie endlich entkommen konnten, stieg die Sonne über den Horizont. Sie verabschiedeten sich; Bobby ging nach Hause zu seiner Frau und seinem kleinen Kind, und Catriona kehrte in ihr einsames Apartment zurück.
    Sie bat Clemmie um ein paar Monate Urlaub, damit sie sich von den Strapazen erholen könnte.
    »Geht nicht.« Clemmie wedelte mit einem Vertrag. »Du gehst nach London.«
    »Ich dachte, London wäre dem Erdboden gleichgemacht?«
    Clemmie schüttelte den Kopf. »Gebeutelt, aber nicht gebrochen. Der Geist der Bulldogge lebt weiter, trotz Hitler.« Sie lachte. »Eigentlich ein bisschen so wie du und ich.«
    Catriona lachte auch. Plötzlich war sie überhaupt nicht mehr müde. »Und was gibt es in London?«
    »Du wirst ein paar Monate an der Opera School des Royal College of Music studieren, und dann wirst du in die Covent Garden Company eintreten und dein internationales Debüt im Royal Opera House geben.« Sie sah, wie Catriona strahlte. »Jetzt geht’s los, Kitty«, erklärte sie stolz.

    Die folgenden Jahre vergingen wie im Fluge. Das Royal College of Music war etwas ganz anderes als die Akademie in Sydney, und Catriona strengte sich noch mehr an, um ihr Talent zu vervollkommnen. Das Jahr 1949 brach an, und sie feierte ihren achtundzwanzigsten Geburtstag am Abend vor ihrem Debüt auf der Londoner Bühne.
    Schon die gewaltige Größe und Pracht des London Opera House fand sie fast überwältigend. Zu Hause hatte es nichts Vergleichbares gegeben. Trotz Lebensmittelkarten und Kriegswirren, trotz ausgebombter Viertel und der Verwüstung durch den Blitzkrieg ließen die Briten sich offenbar nicht davon abhalten, die Kunst zu hegen und zu pflegen. Das Bühnenbild war aufwändig, das Orchester riesig, und Beleuchtung und Kostüme verströmten einen Zauber, den sie nie mehr vergessen würden. Aber die ganze Wucht des Opernhauses sah man nur von der Bühne aus. Reihe um Reihe von Sitzen, mit rotem Samt gepolstert, und goldener Stuck an Decke und Wänden – und das alles überstrahlt von Licht, Atmosphäre und Musik. Es war atemberaubend.
    Sie sollte die Hauptrolle in Carmen von Bizet singen. Die Proben hatten mehrere Wochen gedauert, und sie fühlte sich in der Rolle wohl. Aber als sie jetzt in den Kulissen wartete, zitterten ihr die Knie so sehr, dass sie von einer der Chorsängerinnen einen Schluck Whisky annahm, um ihre Nerven zu beruhigen.
    Das Orchester hatte die Instrumente gestimmt, der Dirigent hatte seinen Applaus bekommen. Das Publikum verstummte erwartungsvoll, als der schwere Samtvorhang sich langsam öffnete und die Ouvertüre begann. Catriona trank einen großen Schluck Wasser und versuchte, die nervöse Energie in positive Bahnen zu lenken. Sie hatte schon öfter Arien aus dieser Oper gesungen, und auf der Bühne hatte sie schon oft gestanden, aber sie wusste, wie wichtig dieses Debüt war, denn wenn alles gut ginge, stände ihrer Karriere nichts mehr im Wege. Sie strich ihr Haar zurück, das ihr offen bis auf die Hüften fiel, und vergewisserte sich nocheinmal, dass die großen goldenen Ohrringe auch gut befestigt waren. Sie schüttelte ihre scharlachrot und orangegelb leuchtenden Flamencoröcke auf, zupfte die rote, schulterfreie Bauernbluse zurecht und wackelte mit den Zehen. Es war ihre Idee gewesen, die Carmen barfuß zu spielen, aber der verdammte Boden war eiskalt.
    In der Zigarettenfabrik läutete die Glocke, und die Chorsängerinnen drängten auf die Bühne. Catriona atmete tief durch und sammelte sich. Als der Ruf »Carmen« sich erhob, raffte sie ihre Röcke und lief über die Brücke und die Treppe hinunter auf den Platz. Die Menge teilte sich, um ihr Platz zu machen. Frech blitzte sie die Männer an, die sie umdrängten. »Wann ich euch lieben werde, weiß ich wahrhaftig nicht.« Ihr Ton war verächtlich. »Vielleicht niemals, vielleicht morgen; aber gewiss nicht heute.«
    Sie lachte die Männer des Chors an und wiegte sich langsam im Rhythmus einer Habanera, während sie sang: »L’amour est un oiseau rebelle.« Sie war Carmen. Schön, mutwillig und gefährlich bewegte sie sich über die Bühne, geschmeidig wie eine Pantherin, und mit veilchenblauen Zigeuneraugen und wehenden Haaren umgarnte sie

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