Die Farm am Eukalyptushain
aber wenn Sie Geld wollen – hier sind zwei Dollar.« Sie wühlte in ihrer Handtasche und hielt der Frau die Münzen entgegen.
Die Frau ignorierte das Geld und schaute Catriona unverwandt an. »Mich trifft der Schlag«, sagte sie leise. »Hätte nie gedacht, dass meine kleine Kitty einmal zu vornehm ist, um mit einer alten Freundin zu sprechen.«
Catriona erstarrte. Sie kannte die Stimme – aber das war unmöglich. Sie ignorierte das Taxi, das am Randstein gehalten hatte, und achtete nicht auf das Hupen und die ungeduldigen Rufe des Fahrers. Sie war gebannt von diesen hellblauen Augen. Sie starrte das blondierte Haar und das verwischte Make-up an, und allmählich dämmerte ihr, wen sie da vor sich hatte. »Poppy?«, hauchte sie. »Poppy, bist du es wirklich?«
»Ja.« Die Frau vergrub die Hände in den Manteltaschen. »Kein umwerfender Anblick, ich weiß schon, aber ich bin’s.«
Catriona fiel ihr um den Hals, und es kümmerte sie nicht, dass der regennasse Mantel ihre Cashmere-Jacke durchweichte und die nasse Schminke wahrscheinlich den hellen Nerzkragen verschmierte. Es war Poppy, ihre Freundin, ihre zweite Mutter, ihre Komplizin bei Streichen und riskanten Abenteuern. Wie furchtbar, dass sie sie nicht gleich erkannt hatte! Und wie wunderschön, sie wiederzusehen.
Sie lösten sich voneinander, und ihre Tränen mischten sich mit dem Regen auf ihren Gesichtern. »Toll müssen wir aussehen«, schniefte Poppy und wischte sich mit einem nicht sehr sauberen Taschentuch das Gesicht ab. »Und ich hab deine hübsche Jacke ruiniert.«
Catriona roch das billige Parfüm in ihrem Nerzkragen und sah den Wasserfleck in der teuren Cashmere-Jacke, aber das war nicht wichtig. »Das bringt eine gute Reinigung wieder in Ordnung«, sagte sie und hielt den Schirm über sie beide. Dann hakte sie sich bei Poppy unter und zog sie hinter sich her. Das Taxi war mit kreischenden Reifen weitergefahren, um sich einen neuen, bereitwilligeren Fahrgast zu suchen. »Lass uns zusehen, dass wir aus dem Regen kommen und eine Tasse Tee trinken.«
In der Milchbar war es warm. Die Fenster waren beschlagen, und es duftete anheimelnd nach Kaffee und heißen Fleischpasteten. Es herrschte Hochbetrieb; an den meisten Tischen saßen Büroangestellte und Frauen mit schweren Einkaufstüten und Kindern. Popmusik plärrte aus der Musicbox, und ein Teenager-Pärchen schmuste in der Ecke.
Sie fanden einen freien Tisch im hinteren Teil, wo es ein bisschen ruhiger war, und setzten sich. Catriona zog die nasse Jacke aus und stellte den triefenden Schirm beiseite. Sie strich das shantungseidene Kostüm glatt, das sie in Singapur hatte nähen lassen, überprüfte ihr Make-up in dem kleinen Spiegel aus ihrer Handtasche und frischte ihren Lippenstift auf.
»Meine Güte«, sagte Poppy, während sie sich aus ihrem tropfenden Mantel schälte. Darunter trug sie ein billiges, vom vielen Waschen verschossenes Baumwollkleid. »Du siehst aus wie deineMam. Das dunkle Haar, die blauen Augen – sogar das Grübchen im Kinn.«
Catriona schob ihre Schminksachen in die Kroko-Handtasche und ließ den Verschluss zuschnappen. »Danke, das nehme ich als Kompliment.« Sie war plötzlich verlegen und wusste nicht, wie sie mit Poppy sprechen sollte. Die Wiedersehensfreude war ein wenig getrübt durch die Erkenntnis, dass ihr Leben in sehr unterschiedlichen Richtungen verlaufen war. Was um alles in der Welt hatten sie noch miteinander gemeinsam?
»Wie geht’s Velda? Hab nichts mehr von ihr gehört, seit ich die Truppe verlassen habe.«
Catriona lehnte sich auf der glatten Plastikbank zurück. »Mam ist bei Kriegsbeginn gestorben«, sagte sie leise. »Es ging ihr schon eine ganze Weile nicht mehr gut, und als sie dann eine Lungenentzündung bekam, hatte sie nicht mehr die Kraft, sich dagegen zu wehren.« Bei der Erinnerung an die letzten Stunden ihrer Mutter kamen ihr die Tränen. »Sie hat nicht mehr erlebt, wie in Erfüllung gegangen ist, was sie sich für mich gewünscht hat. Sie war ja die treibende Kraft hinter meiner Karriere, weißt du. Das alles hätte ich ohne sie nicht geschafft.«
Poppy betrachtete ihre geschwollenen, roten Hände, die fest verschränkt auf dem Tisch lagen. Der Lack an den abgebissenen Nägeln blätterte ab. »Tut mir leid, das zu hören«, sagte sie. »Hätte sie gern noch mal wiedergesehen.« Sie hob den Kopf und sah Catriona mit Tränen in den Augen an. »Und dein Dad?«
Catriona berichtete ihr in knappen Worten vom tragischen Tod ihres Vaters,
Weitere Kostenlose Bücher