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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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mustern. Es war eine harmlose, kleine grüne Schlange. Wie konnte man sich vor ihr fürchten? Ich lief durch den Gemüsegarten und hob sie auf in dem Bemühen, behilflich zu sein. Aber der Anblick eines kleinen Jungen, der ein todbringendes Geschöpf in der Hand hielt, war mehr, als Stacy ertragen konnte. Sie wurde ohnmächtig und fiel in die Wachsbohnen, als die Männer angerannt kamen.
    Jimmy Dale hob sie hoch, während wir zu erklären versuchten, was geschehen war. Die arme Schlange war ebenfalls ganz schlaff, wahrscheinlich war sie auch ohnmächtig geworden.
    Pappy konnte sich ein Grinsen nicht verkneifen, als wir Jimmy Dale und seiner Frau auf die Veranda hinter dem Haus folgten, wo er sie auf eine Bank legte. Gran holte ihre Arzneien. Stacy kam wieder zu sich, ihr Gesicht blass, ihre Haut feucht. Gran stand vor ihr mit einem nassen Tuch und Riechsalz.
    »Gibt es in Michigan keine Schlangen?«, fragte ich meinen Vater flüsternd.
    »Offenbar nicht.«
    »Es war eine ganz kleine grüne Schlange«, sagte ich.
    »Gott sei Dank war es keine Rattenschlange, sonst wäre sie jetzt tot«, sagte mein Vater.

    Meine Mutter machte Wasser heiß und goss es in eine Tasse mit einem Teebeutel. Stacy setzte sich auf und nippte daran, und zum ersten Mal in der Geschichte wurde auf unserer Farm heißer Tee getrunken. Sie wollte allein sein und sich ausruhen, und so kehrten wir auf die vordere Veranda zurück.
    Kurz darauf inspizierten die Männer den Buick. Sie hatten die Motorhaube geöffnet und begutachteten den Motor. Als mich niemand mehr beachtete, schlich ich mich von der Veranda und hinters Haus, um nach Tally Ausschau zu halten. Ich versteckte mich in der Nähe des Silos, an einer meiner Lieblingsstellen, wo ich nicht gesehen werden konnte.
    Ich hörte, wie ein Motor angelassen wurde, ein rundes sattes Geräusch, das nicht von unserem alten Pick-up stammen konnte. Sie machten eine Probefahrt, und ich hörte, wie mein Vater nach mir rief. Als ich nicht antwortete, fuhren sie los.
    Ich gab Tally auf und ging zurück zum Haus. Stacy saß unter einem Baum auf einem Stuhl, blickte traurig über unsere Felder, die Arme verschränkt, als wäre sie sehr unglücklich.
    Der Buick war weg.
    »Du bist nicht mitgefahren?«, fragte sie mich.
    »Nein, Ma’am.«
    »Warum nicht?«
    »Einfach so.«
    »Bist du schon mal mit einem Auto gefahren?« Ihr Ton war spöttisch, deswegen log ich.
    »Nein, Ma’am.«
    »Wie alt bist du?«
    »Sieben.«
    »Du bist sieben Jahre alt und noch nie mit einem Auto gefahren?«
    »Nein, Ma’am.«

    »Hast du schon mal einen Fernsehapparat gesehen?«
    »Nein, Ma’am.«
    »Hast du schon mal telefoniert?«
    »Nein, Ma’am.«
    »Unglaublich.« Sie schüttelte angewidert den Kopf, und ich wünschte, ich wäre beim Silo geblieben. »Gehst du in die Schule?«
    »Ja, Ma’am.«
    »Gott sei Dank. Kannst du lesen?«
    »Ja, Ma’am. Und ich kann auch schreiben.«
    »Wirst du die Highschool zu Ende machen?«
    »Klar.«
    »War dein Vater auf der Highschool?«
    »Ja.«
    »Und dein Großvater?«
    »Nein, Ma’am.«
    »Das habe ich mir schon gedacht. Geht jemand aus eurer Gegend aufs College?«
    »Noch nicht.«
    »Was soll das heißen?«
    »Meine Mutter sagt, dass ich aufs College gehen werde.«
    »Das bezweifle ich. Wie sollt ihr euch das leisten können?«
    »Meine Mutter sagt es aber.«
    »Du wirst aufwachsen und ein armer Baumwollfarmer werden wie dein Vater und dein Großvater.«
    »Das kannst du nicht wissen«, sagte ich. Sie schüttelte frustriert den Kopf.
    »Ich war zwei Jahre lang auf dem College«, sagte sie stolz.
    Das hat dich auch nicht klüger gemacht, hätte ich am liebsten gesagt.

    Wir schwiegen lange. Ich wäre gern gegangen, wusste aber nicht, wie ich mich angemessen zurückziehen sollte. Sie saß auf der Stuhlkante, blickte in die Ferne und sammelte mehr Gift.

    »Ich kann gar nicht glauben, wie rückständig ihr hier seid«, sagte sie.
    Ich betrachtete meine Füße. Abgesehen von Hank Spruill hatte ich noch nie einen Menschen kennen gelernt, den ich so wenig mochte wie Stacy. Was würde Ricky tun? Er würde sie wahrscheinlich verfluchen, und da ich das nicht durfte, beschloss ich, einfach davonzugehen.
    Der Buick kehrte mit meinem Vater am Lenkrad zurück. Er hielt an, und alle stiegen aus. Jimmy Dale rief nach den Spruills.
    Er lud Bö, Dale und Trot auf den Rücksitz, Hank setzte sich neben ihn, und schon fuhren sie los, rasten auf unserem Weg entlang zum Fluss.

    * * *
Es war spät am Nachmittag,

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