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Die Farm

Die Farm

Titel: Die Farm Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Haus.

    D a Hank jetzt zweihundertfünfzig Dollar von Samson in der Tasche hatte, legte er noch weniger Begeisterung für das Baumwollpflücken an den Tag. »Wo ist Hank?«, fragte Pappy Mr Spruill, als wir am Montagmorgen unsere Säcke nahmen und zu arbeiten anfingen. »Schläft noch«, lautete die knappe Antwort. Mehr wurde bei dieser Gelegenheit nicht gesprochen.
    Er kam irgendwann am Vormittag auf die Felder. Wann genau wusste ich nicht, weil ich mich am Ende einer Reihe befand, aber bald hörte ich Stimmen, weil die Spruills wieder einmal miteinander stritten.
    Eine Stunde vor Mittag verdunkelte sich der Himmel, und aus westlicher Richtung wehte eine leichte Brise. Als die Sonne verschwand, hielt ich inne und betrachtete die Wolken.
    Hundert Meter weiter sah ich Pappy das Gleiche tun - die Hände in die Hüften gestemmt, Strohhut nach hinten geschoben, die Stirn in Falten gelegt. Der Wind wurde stärker, der Himmel dunkler, und bald darauf kühlte es merklich ab.
    Alle Gewitter kamen bei uns aus Richtung Jonesboro; die Strecke war auch als Tornado Alley bekannt.
    Als Erstes hagelte es, harte winzige Körner so groß wie Erbsen, und ich setzte mich Richtung Traktor in Bewegung. Der Himmel im Südwesten war dunkelblau, nahezu schwarz, und die tief hängenden Wolken trieben auf uns zu. Die Spruills liefen schnell zum Traktor. Die Mexikaner rannten zur Scheune.
    Auch ich begann zu laufen. Die Hagelkörner trafen mich im Nacken, und ich legte einen Zahn zu. Der Wind heulte in den Bäumen am Fluss und zerrte an den Baumwollsträuchern. In meinem Rücken krachte irgendwo ein Blitz, und ich hörte einen der Spruills, Bö wahrscheinlich, laut schreien.
    »Wir sollten nicht zum Anhänger«, sagte Pappy, als ich bei ihm ankam. »Nicht, wenn es so blitzt.«
    »Wir fahren besser zum Haus«, sagte mein Vater.
    Wir kletterten rasch alle auf die Ladefläche, und als Pappy den Traktor wendete, fing es wie aus Kübeln an zu schütten. Der Regen war kalt und hart, und der Wind peitschte ihn auf uns zu. Wir waren sofort durchnässt, als hätten wir ein Bad im Bach genommen.
    Die Spruills kauerten sich zusammen, Tally in der Mitte.
    Gleich daneben drückte mein Vater mich an seine Brust, als würde mich der Wind sonst forttragen. Meine Mutter und Gran hatten die Felder verlassen, kurz bevor das Gewitter über uns hereinbrach.
    Der Regen ergoss sich in Wellen auf uns. Er fiel so heftig, dass ich die Baumwollreihen, die nur ein paar Meter entfernt waren, kaum mehr sah. »Beeil dich, Pappy!«, sagte ich immer wieder. Der Wind heulte so laut, dass ich das vertraute Tuckern des Traktormotors nicht mehr hörte. Wieder blitzte es, diesmal viel näher, so nahe, dass es mir in den Ohren wehtat. Ich dachte, wir würden alle sterben.
    Wir brauchten ewig bis zum Haus, aber als wir dort ankamen, hörte der Regen schlagartig auf. Der Himmel war jetzt noch dunkler, schwarz in allen Richtungen. »Ein Tornado!«, sagte Mr Spruill, als wir abstiegen. Im Westen, weit jenseits des Flusses und hoch über den Bäumen, sank eine schmale trichterförmige Wolke nach unten. Sie war hellgrau, nahezu weiß vor dem schwarzen Himmel, und sie wurde größer und lauter, als sie sich ganz langsam bis zum Boden ausstreckte. Sie war mehrere Meilen entfernt, und deswegen schien sie uns auch nicht besonders gefährlich.
    Tornados waren in unserem Teil von Arkansas nichts Ungewöhnliches, und zeit meines Lebens hatte ich Geschichten darüber gehört. Vor Jahrzehnten hatte Grans Vater angeblich einen schrecklichen Twister überlebt, der Kreise gezogen und dieselbe kleine Farm mehrmals heimgesucht hatte. Es war eine unglaubliche Geschichte, die Gran ohne große Überzeugung erzählte. Twisters gehörten zum Leben, aber bislang hatte ich noch keinen mit eigenen Augen gesehen.
    »Kathleen!«, rief mein Vater in Richtung Haus. Er wollte nicht, dass meine Mutter dieses Spektakel versäumte. Ich blickte zur Scheune, wo die Mexikaner so still und verwundert dastanden wie wir. Ein paar zeigten mit dem Finger in die entsprechende Richtung.
    Wir betrachteten den Tornado mit wortloser Faszination, ohne Furcht oder Grauen, weil er nicht in der Nähe unserer Farm war und davon wegzog, nach Nordosten. Er bewegte sich langsam, als suchte er nach dem idealen Ort, um den Boden zu berühren. Das spitze Ende war über dem Horizont deutlich sichtbar, weit über dem Erdboden, und es hüpfte durch die Luft, tanzte, während es sich zu entscheiden versuchte, wo und wann es zuschlagen sollte.

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