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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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Clemens Bäumler mir sehr glaubhaft
erschien. Es kam aber darin mehrmals etwas von einem ›Bluthund‹ vor — und ich
möchte darauf hinweisen, was ich bereits zu Protokoll gegeben habe, daß ich
selbst am Abend der Tat beim Verlassen der Kirche glaubte, eine Gestalt
forteilen zu sehen, die mir nicht wie ein Mensch vorkam.«
    Er lehnte sich wieder in seinen Stuhl
zurück.
    »Auch ich habe daran gedacht«, sagte
Merzbecher, »aber ein Hund beißt, und sticht nicht mit einem Stilett.«
    »Außer Hund und Mensch«, sagte Henrici
leise, »gibt es noch viele Wesen.«
    »Meinen Sie natürliche«, fragte
Merzbecher ernst, »oder übernatürliche? «
    »Diese Grenze zu ziehn«, sagte Henrici,
»ist nicht ganz einfach. Jedes natürliche Geschöpf kann Werkzeug von Kräften
sein, die wir übernatürlich nennen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Merzbecher, »ob
uns das weiterführt, wir können uns leider nur an das Faß- und Greifbare
halten, obwohl die Wurzeln unserer Taten gewöhnlich dort liegen, wo grade das
aufhört. Jedenfalls danke ich Ihnen, Hochwürden, für Ihre Anteilnahme. Im
übrigen glaube ich, daß wir jetzt, besonders im Hinblick auf die begrenzte Zeit
einiger Zeugen, die heutige Untersuchung schließen könnten.«
    Er blickte zum Oberstaatsanwalt hin,
der wieder mit dem Knöchel auf den Tisch klopfte und in barschem Tonfall
mitteilte, die Untersuchung sei beendet, die Aufgerufenen hätten sich aber dem
Gericht zu eventuellen weiteren Befragungen jederzeit verfügbar zu halten —
wobei er noch einmal auf die Schweigepflicht hinwies und mit Bestrafung drohte.
    Von St. Peter schlug es eben elf, was
Panezza grade noch elf Minuten elf Sekunden gab, um sich in den Prinzen
Karneval zu verwandeln und sich zu seinem, allerdings in nächster Nähe am
Schloßplatz aufgestellten Prunkwagen zu begeben. Trotzdem zeigte er keine Hast
und machte, im Moment, keine Anstalten, sich rasch zu entfernen, sondern schien
wie von Grübeln gelähmt.
    Als die Herren sich nun erhoben und
einander zur Verabschiedung zuwandten, eilte ganz plötzlich, und zunächst fast unbemerkt,
das Mädchen Suzanne Ripflin, genannt Rosa, nach vorne und trat zu dem ebenfalls
aufgestandenen Clemens, an dessen Seiten, rechts und links, sich schon zwei
Uniformierte zur Abführung postiert hatten.
    Mit einer raschen Geste, ohne daran zu
nesteln, öffnete sie ihr unscheinbares Handtäschchen und entnahm ihm zwei
Goldstücke im Wert von je zehn Mark, die sie Clemens entgegenhielt.
    Der schaute sie ratlos an, auch die
beiden Polizisten guckten verdutzt. »Ich möchte«, sagte das Mädchen, »Ihnen das
zurückgeben. Bitte, nehmen Sie das.«
    »Warum wollen Sie das tun?« fragte
Merzbecher, der mit dem Kommissar dazugetreten war.
    »Er hat gesagt«, antwortete sie und
wurde rot, »es wär seine gesparte Löhnung gewesen. Und er hat«, fügte sie
leiser hinzu, »nichts davon gehabt.«
    Merzbecher nahm ihr die beiden
Goldstücke aus der Hand. »Haben Sie das«, fragte er Clemens, »dem Mädchen
geschenkt?«
    »Ich glaube«, sagte Clemens, ohne das
Mädchen anzusehn, »und sie soll’s nur behalten.«
    »Nein«, sagte Rosa, »ich will nicht.«
    Inzwischen hatte sich Madame Guttier
durch die aufmerksam gewordene, obwohl schon in Auflösung begriffene
Versammlung nach vorne gedrängt. »Sie hat nicht gearbeitet«, sagte sie, »das
müssen die Herrn verstehen. Meine Damen sind äußerst kitzlig in puncto Ehrgefühl.«
— Dabei warf sie jedoch der Rosa einen verächtlichen Blick zu.
    »Wenn Sie das ernst meinen«, sagte
Merzbecher zu Rosa, »wird das Gericht vorläufig das Geld für den Verhafteten in
Verwahrung nehmen. Aber ich hoffe, Sie werden’s dann nicht bereuen, eine
spätere Reklamation hätte keinen Zweck.«
    Rosa nickte nur, aber sie schien
erleichtert und wandte sich rasch dem Ausgang zu, mühsam hinter ihr
herschnaubend die Madame.
    Inzwischen hatte sich Panezza
zusammengerissen und ging, nach einer kurzen, geflüsterten Instruktion an
Jeanmarie, die vermutlich die Bäumlern betraf, mit raschen Schritten zur Tür.
Dort traf er mit dem Domkapitular Henrici zusammen und blieb, um ihm den
Vortritt zu lassen, einen Augenblick stehen.
    »Gehen Sie nur voraus«, sagte Henrici,
»Sie haben es eilig.« Aber Panezza ging nicht.
    Mit dem gleichen, leeren und abwesenden
Blick trat er für eine Sekunde dicht an den geistlichen Herrn heran und neigte
seine Lippen zu dessen Ohr. »Gut«, sagte der Priester und nickte ihm freundlich
zu, »am besten in der bischöflichen

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