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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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vorher ist es mir nie so gut gegangen. Aber den Ferdinand, den
konnte ich auch nicht lassen — obwohl mir’s jetzt schwer aufs Herz fiel, daß es
schlecht war, was er gemacht hat, mit dem Geld und allem, und daß Blut dran
klebte, und es war unrecht Gut — da war ich aber schon ganz benebelt, und wollt
es los sein und von mir werfen, alles was mir passiert war...« So habe er wohl
das Rockfutter aufgerissen und das Geld hingeschmissen, aber das wisse er nicht
mehr recht.
    Seine Stirn war feucht geworden, und er
wischte sich die linke Hand an seiner Hose. Die rechte hielt er noch immer im
Rock verborgen.
    »Ein Judas« murmelte die Bäumlern.
Niemand achtete darauf.
    »Sie können sich jetzt setzen«, sagte
Merzbecher, »das ist genug für heute. Glauben Sie nicht, Bäumler«, fügte er mit
einer gewissen Wärme hinzu, während Clemens sich erleichtert niederließ, »daß
wir hier eine vorgefaßte Meinung gegen Sie haben oder Sie für einen Lügner
halten. Aber wenn Ihnen noch etwas einfällt, was Ihnen jetzt vielleicht
entfallen ist — was es auch sei — , so verhehlen Sie uns nichts. Wir müssen Sie
natürlich in Haft behalten, bis die näheren Umstände des Mordes aufgeklärt sind
— denn leider haben Sie für den Zeitpunkt der Tat kein genaues Alibi.«
    Er hatte, während er sprach, einen in
Tuch gewickelten Gegenstand vom Tisch aufgenommen und enthüllte jetzt ein
langes, dünnblattiges Stilett, das in eine fast nadelscharfe Spitze auslief und
einen schmalen, silbernen Handgriff besaß. Er hielt es mit dem Tuch an der
Spitze, ohne den Handgriff zu berühren.
    »Diese Waffe«, fragte er Clemens,
»haben Sie also nie gesehen?«
    Clemens schüttelte den Kopf.
    »Es handelt sich«, sagte Merzbecher,
die Waffe hochhebend, so daß jeder sie sehen konnte, »um ein italienisches,
oder, nach Meinung unseres Waffensachverständigen, sizilianisches Stilett von
besonders feiner Arbeit, wie es hierzulande nicht im Gebrauch ist. Es ähnelt
jenem, mit dem die Kaiserin Elisabeth von Österreich vor dem Laufsteg eines
Dampfers am Genfer See von einem italienischen Anarchisten namens Luccheni
inmitten der wartenden Menge erstochen worden ist. Auch sie konnte noch einige
Schritte gehen, offenbar ohne die tödliche Verletzung gespürt zu haben, und
brach erst auf dem Dampfschiff zusammen. Um einen solchen Stoß zu führen, muß
man wohl an den Gebrauch derartiger Waffen gewohnt sein. Man müßte
nachforschen, ob in der Stadt kürzlich irgendwelche Italiener eingereist sind ...« Er hatte dabei den aufmerksam dabeisitzenden Kommissar angeschaut, der bisher
keinen Grund gehabt hatte, sich zu der Untersuchung zu äußern.
    Jetzt stand dieser auf und sprach
eifrig, in ausgesprochenem Lokaldialekt: »Mir hawwe e paar hunnert italienische
Chaussee-Arbeiter in der Stadt — für die neu Chaussee nach Zahlbach un
Bretzenheim. Die kann ma nit all vernehme — noch dazu an Fassenacht!« — Das
letzte sagte er mit einem vorwurfsvollen Tonfall, als sei er über diese
kriminalistische Störung der Fastnacht persönlich beleidigt.
    »Nun«, sagte Panezza plötzlich mit
einem Lächeln, »da wäre ja noch — « Aber er spürte im gleichen Moment den Blick
seines Sohnes mit einem solchen Flehen, oder einer so verzweifelten Warnung,
auf seinem Gesicht, daß er verstummte. »Das ist ja auch Unsinn«, sagte er vor
sich hin, ohne daß ihm jemand Beachtung schenkte, denn die Aufmerksamkeit war
immer noch auf das Stilett in der Hand des Kriminalrats gerichtet, auch hatte
die mainzerisch getönte Äußerung des Kommissars eine leise Heiterkeit geweckt.
    »Zu dieser Waffe«, sagte Merzbecher
gedankenvoll, »muß es auch eine Scheide geben, und zwar, der Klinge und dem
Heft entsprechend, wohl eine gut gemachte, leichte, elegante Scheide, kein
gewöhnliches Messer- oder Dolchfutteral. Wenn wir die hätten...«
    »Aber wir haben sie nicht«, schnarrte
der Oberstaatsanwalt, »die hat der Täter natürlich zwischen dem Dom und seinem
nächsten Ziel — sagen wir vielleicht dem Kappelhof - fortgeworfen. Man müßte in
dieser Gegend suchen lassen.«
    »Das ist, selbstverständlich,
geschehen«, sagte der Kriminalrat, »aber ohne Erfolg.«
    »Wenn ich mir eine Bemerkung erlauben
darf«, ließ sich auf einmal der Domkapitular Henrici hören, »sollte man wohl
eher nach einer anderen Richtung hin suchen. Ich bin zwar Laie, doch in bezug
auf menschliche Bekenntnisse oder Geständnisse nicht ganz ohne Erfahrung, und
ich muß sagen, daß die Erzählung des

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