Die Fastnachtsbeichte
Erscheinung
gehabt, das kennt man schon.«
»Hat er dann noch Näheres über seine
Pläne geäußert?« fragte der Kriminalrat.
»Am Sonntagmorgen«, sagte Clemens,
»solle ich ihn im Wartesaal dritter am Hauptbahnhof erwarten. ›Und in der
Zwischenzeit den braunen Rock immer anbehalten und niemals ausziehen, da steckt
unsre Zukunft drin eingenäht. Es geht ein Zug, da können wir nachts schon in
Antwerpen sein. Wenn du aber nicht mitwillst‹, sagte der Ferdinand, ›dann
kannst du deine Affenjacke zu Haus abholen, dann kriech nur in deinen Saukoben
zurück, dann werden sie dich schon verwursten, eines Tags.‹« — »Und was hast du
davon, wenn ich mitkomm?« fragte der Clemens. »Ich will was machen aus dir«, hätte
der Ferdinand gesagt, »sonst kommst du nie aus dem Dreck. Und dann bin ich
nicht so allein.« Und wie er das sagte, hatte der Clemens wieder das Gefühl,
daß der Ferdinand Angst hatte, aber nicht nur vor der Polizei oder der
Auslieferung an die Franzosen oder so, sondern — vor etwas halt — , und
er habe auch immer öfter zum Fenster hinaus geschielt. — Was denn dann, fragte
Clemens, aus der Mutter werden sollte, wenn sie beide weg sind? »Da mach dir
keine Sorgen«, sagte der Ferdinand, »ich hab dir schon erklärt, ich muß noch mit
jemand abrechnen daheim, und dieser Jemand wird zeitlebens für sie sorgen, ob
er will oder nicht.«
»Haben Sie sich dabei etwas denken
können?« unterbrach Merzbecher, »oder haben Sie eine Idee, was und wen er damit
gemeint haben kann?«
»Nein«, sagte Clemens, »ich habe keine
Idee, und ich dachte auch, das redet er nur so daher, damit ich mir kein
Gewissen mache, und insgeheim hab ich gedacht, wenn ich wirklich mitgeh, da
könnt ich ja Geld schicken, von dort.« Aber ob er mitgehen wollte, oder müsse,
oder sollte — das war ihm alles ganz unklar in dem Moment, das ging in seinem
Kopf durcheinander, »wie Musik«, sagte Clemens — also wie etwas, was man gar
nicht verstehen kann. »Die Hauptsache ist«, sagte der Ferdinand, »daß ich jetzt
rasch in die Uniform rein komme, damit ich hier raus kann, und daß du mir den
Anzug trägst und hütest wie deinen Augapfel.« — »Da hab ich ihm«, sagte
Clemens, »mein Ehrenwort drauf gegeben, auch daß ich am Sonntagmorgen im
Bahnhof bin. Und dann haben wir den Vorhang zugezogen, wie wenn ein Pärchen
sich küssen will, die Kellnerin war sowieso auf die Gaß hinausgelaufen, weil
grad die Prinzengard vorbeigezogen ist, und sonst war noch niemand da, und
unterm Tisch haben wir die Hosen gewechselt und die Schuh und überm Tisch die
Röck und alles andre.« Die Schuh hätten ihm weh getan, denn der Ferdinand hat
kleinere Füße gehabt...
»Der war immer neidisch«, redete die
Bäumlern hinein, wurde aber von Jeanmarie zur Ruhe gebracht. Clemens hatte es
offenbar nicht gehört.
»Die Mütze«, sagte er, »war für den
Ferdinand ein bißchen zu weit, er mußte sie bis auf die Ohren ziehn, aber im
Dunkeln war das egal, ›das ist nur gut‹, hat er gesagt, ›da bin ich erst recht
nicht zu erkennen, nicht mal für einen Bluthund. ‹ — Aber der weiße Hemdkragen
hat mir gepaßt«, sagte Clemens, »den brauchte ich nur auf mein Militärhemd
aufzuknöpfen, in das ich vorn und hinten am Hals zwei Löcher gemacht hab.« —
Wachtmeister Gensert schüttelte bei diesem Geständnis unwillig den Kopf.
»Und das ist die ganze Geschichte?«
fragte Merzbecher und schien beinah enttäuscht.
»Nein«, sagte Clemens, »dann hat er mir
noch die Pistole gegeben. «
Alle horchten auf.
»Aus einem besonderen Grund?« fragte
der Kriminalrat.
»Das war so«, sagte Clemens, »zuerst
hatte er sie aus dem Anzug herausgenommen und sich selbst in die Uniformhose
gesteckt. Dann guckte er mich so komisch an und plötzlich hat er gesagt: ›mir
kann ja nichts passieren, in deiner Uniform — nimm du sie lieber, und wenn dir
ein Bluthund begegnet und an die Gurgel will, dann schieß.‹« — Einen Augenblick
herrschte Stille im Saal.
»Und das Stilett? das Messer??« knarrte
plötzlich die Stimme des Oberstaatsanwaltes Classen. »Das steckte wohl auch in
dem Anzug?«
Clemens schaute hilflos und ohne
Verständnis zu ihm hin.
»Oder«, fuhr Classen fort, bevor
Merzbecher hätte eingreifen können, »wie sind Sie sonst zu der Mordwaffe
gekommen?«
»Ich bin gar nicht dazu gekommen«,
sagte Clemens mit schwerfälliger Zunge.
»Behaupten Sie«, sagte Classen
ironisch, »aber Sie sind Ihrem Bruder doch nachgegangen und haben ihn
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