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Die Fastnachtsbeichte

Die Fastnachtsbeichte

Titel: Die Fastnachtsbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carl Zuckmayer
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es
nicht. Ich weiß nur, daß ich ihm völlig verfiel — so wie ich ihm wohl schon als
Kind verfallen war.
    Er war nicht gewohnt, in unserer Art
von Gesellschaft zu verkehren, er machte den oder jenen kleinen faux-pas — aber
man hielt das eben für ›das Deutsche‹ an ihm — und er konnte, besonders den
Damen gegenüber, von einer so überwältigenden und entwaffnenden, so kecken und
einfältigen Liebenswürdigkeit sein, daß man ihn gern zu Gast hatte, zumal er
fließend französisch und von Tag zu Tag besser italienisch sprach. Ich aber
liebte ihn, mir war, als hätte ich nur auf ihn gewartet. Und ich hatte auf ihn
gewartet. Er war meine erste Liebe — mein erster Mann.
    Mit meiner Leidenschaft wuchs Lolfos
Haß gegen ihn — ich glaube, er hatte Lolfo einmal geschlagen, als er ihm nachts
den Weg zu meinem Zimmer verstellen wollte; ein andermal hatte Lolfo uns
belauscht, als ich mich ihm, in einem versteckten Pavillon des großen Gartens,
hingab, und wohl den Eindruck von einer Gewalttat gehabt — wovon jedoch keine
Rede war...«
    (Obwohl — mußte Panezza denken, während
sie einen Augenblick schwieg — in jeder Liebeshandlung, jeder Hingabe, jeder
Besitzergreifung etwas von einer Gewalttat enthalten ist...)
    »Ich war so besinnungslos in meiner
Liebe«, fuhr sie fort, »daß ich Lolfo geopfert hätte — und ich gab dem
Geliebten, als ich merkte, daß er sich bedroht fühlte und nachts nicht wagte,
allein aus dem Haus zu gehn, die kleine Pistole, die ich auf einsamen
Spaziergängen in unsrem ziemlich wilden Gebirg zu tragen pflegte. Ich gab sie
ihm nicht etwa, um Lolfo, falls er ihn angreife, zu töten — ich sagte ihm, wie
sehr ich an ihm hing — , sondern um ihn notfalls in Schach zu halten; denn
Lolfo wußte sehr wohl, was die geladene Waffe, wenn man sie auf ihn richtete,
zu bedeuten hatte. Und Lolfo, als ob er etwas geahnt hätte, oder auch nur um meinetwillen,
hielt sich seitdem zurück.
    In diesen Tagen — es war schon im
Februar — finden in der Umgebung alljährlich die großen Empfänge und Bälle
statt, und zu einer solchen Veranstaltung, bei einflußreichen Verwandten, nahm
ich ihn mit, den ich als meinen Verlobten betrachtete — und der in seinem sehr
neuen Gepäck auch sehr neue Gesellschaftskleidung mitgebracht hatte. Ich
wollte, bevor man es publik machte und bevor ich die endgültige Einwilligung
der Eltern erbat, ihn da und dort einführen — er hatte sich selbst mit einigen
jungen Herren aus den guten Kreisen angefreundet — und ich wollte mich schön
machen für ihn, mit allem Glanz und allem Zauber, den ich ihm anbieten konnte.
So lieh ich mir von meiner Mutter für diesen Abend den großen Familienschmuck
aus, der unseren Namenszug in diamantgefaßten Rubinen trägt und von dem ich
wußte, daß er mir nach der Hochzeit gehören sollte.
    Auf der Heimfahrt von diesem Fest,
allein mit mir in der geschlossenen Kutsche, gestand er mir plötzlich, in
großer Erregung, daß er sich in der Stadt, die er öfters allein besuchte, mit
anderen jungen Herren aufs Spiel eingelassen und furchtbar verloren habe —
sicherlich nur weil ihm solches Glück in der Liebe beschieden sei, sagte er,
und küßte meine Schultern und Hände dabei — , es handle sich um eine große
Summe, für die er einen auf den nächsten Morgen fälligen Schuldschein habe
ausstellen müssen und die er sich erst durch einen ausführlichen Brief von zu
Hause erbitten könne; hier aber sei er erledigt und unmöglich gemacht, wenn er
die Ehrenschuld nicht pünktlich begleiche, das könne er auch mir nicht antun —
und er bat mich, fast weinend, ihm den Schmuck für wenige Tage zu überlassen,
damit er ihn im Pfandhaus beleihen und dann, wenn man ihm das Geld überwiesen
habe, wieder auslösen könne... Ich gab ihm den Schmuck... Aber zum erstenmal
fühlte ich ein Mißtrauen, Schlimmeres, eine Art Abscheu vor ihm, und ich
verschloß ihm in dieser Nacht meine Tür. Ich fühlte mich schlecht und elend.
Ich wußte plötzlich, daß ich Mutter wurde.
    Als ich am nächsten Tag, sehr spät und
noch recht kränklich, herunterkam, war er verschwunden. Das heißt, er hatte
sich in der Frühe ganz offiziell von meinen Eltern verabschiedet, unter der
Vorgabe, er habe ein Telegramm erhalten, daß seine Mutter im Sterben liege.
Mich, sagte er, habe er schon nach dem Ball verständigt und wolle mich nicht
mehr stören. Er verreiste in Hast, um den ersten Zug zu erreichen, und nahm
Grüße, sogar einen Brief meiner Eltern an die

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