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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Bach … Und seid unbesorgt, Eure verdammten Landsleute werden Euch nicht kriegen.«
    ***
    Die erste Frau des Curaca schnarchte. Die Meerschweine kratzten sich gegen ihr Ungeziefer. Ich schlief nicht und suchte den Schlaf nicht einmal, ich grübelte. Und je länger ich grübelte, desto mehr erregte mich der Gedanke an Manco.
    Manco …
    Ich sah ihn und hörte ihn wieder: »Nicht du gehst – ich verjage dich.«
    Worte, die mein Stolz mir zur unüberwindlichen Grenze gemacht hatte. Nun riß das Gewicht einiger anderer Worte, die Martin gesprochen hatte, diese Grenze ein. Und da meine aufgewühlte Erinnerung glücklichere Erlebnisse in mir wachrief, wagte ich mir auf einmal einzugestehen, wie sehr Manco mir fehlte, wie sehr mir alles fehlte, sogar sein Wüten, seine Exzesse, und Qhora, Inkill Chumpi, unsere Stadt … alles und alle! Es war undankbar, denn in einem Sinn hatte ich von meiner Ayllu mehr empfangen als je von Manco, dem ich soviel gegeben hatte, aber wägt das Herz ein solches Mehr oder Weniger?
    Am Morgen war ich entschlossen.
    Die zweite Frau kämmte mich. »Beim Neumond werden wir deine Haare in ein gutes Kräuterbad tauchen«, sagte sie.
    Ich gab keine Antwort, mir schnürte sich die Kehle zu. Doch als sie mir ihren kleinen Messingspiegel vorhielt, sah ich, daß in meinen Blick das Leben zurückgekehrt war, ein Blick, wie ich ihn seit Zaras Tod nicht mehr an mir gesehen hatte.
    Ich ging zu meiner Wohnung. Wir hatten Martins Kleider, so gut wir konnten, ausgeschüttelt, gesäubert und geflickt. Er erwartete mich, schon fertig angezogen, mit reinlichem Bart.
    »Asarpay«, begann er überstürzt, »bitte, vergebt mir. Gestern war ich kaputt, völlig zerschlagen, ich habe Euch nicht einmal gefragt … Wie geht es Euch? Ihr seht gut aus …«
    »Mir geht es besser.«
    »Etwas kann ich mir nicht erklären. Was tut Ihr hier? Eine Frau wie Ihr in diesem … dieser Armseligkeit! Ich weiß, es ist unhöflich, das zu sagen, da Euer Dorf mir eine so großmütige Gastfreundschaft gewährt, aber ich begreife es nicht. Wenn meine Frage ungehörig ist, ziehe ich sie zurück.«
    »Ich war sehr krank, beinahe wäre ich gestorben. Meine Leute haben mich gerettet … Armseligkeit? Ich bin hier geboren, man gewöhnt sich wieder daran. Sie waren alle so gütig, hilfreich und besorgt, sie haben sich so gemüht, daß ich ihnen erhalten bleibe! Martin, ich habe mich entschlossen. Ich gehe mit Euch. Allein kämt Ihr niemals bis zu Manco durch. Seine Krieger würden Euch nicht hinführen, wahrscheinlich würden sie Euch töten.«
    »Ich möchte nicht, daß Ihr Euch meinetwegen …«
    »Ich wollte es Euch gerade mitteilen, ich gedenke zurückzukehren.«
    Es dem Curaca und den Frauen mitzuteilen war quälend. Hart auch, Zara allein zu lassen. Als ich mich von ihrer Grotte abwandte, ging ich zu unserer Huaca, um ihren Schutz zu erflehen und Abschied zu nehmen vom Vater meines Vaters. Der Greis sagte nicht viel. Seit unserem Streit wegen Villalcázar hatten wir kaum mehr miteinander gesprochen.
    Ich hatte kein Gepäck, nur die Kleider, die ich am Leib trug. Zu der Stunde, da unser Vater die Sonne in ihrer ganzen Pracht erstrahlt, verließ ich mit Martin das Dorf. Unter Tränen hatte ich wieder und wieder versprechen müssen, daß ich zurückkehren würde.
    Es wird Euch vermutlich erstaunen, Pater Juan, aber die einzigen, die mir meine Abreise erleichterten, wie ich spürte, waren meine Mutter und meine Schwester. Die armen Frauen waren mit unserer Verwandtschaft und zugleich unserem Abstand voneinander nicht zurechtgekommen.
    ***
    Ein Nachbar meines Vaters, Maïta mit Namen, begleitete uns.
    Maïta, ›der Fliegende‹, hatte seine Soldatenjahre einst auf den Höhen der Sierra verbracht, in einer jener Festungen, die Huayna Capac zur Abwehr der Antis hatte errichten lassen. Die Antis sind Völkerstämme, die an den Osthängen der Anden wohnen; viele von ihnen hatten sich inzwischen mit Manco verbündet.
    Maïta kannte also die Bergpfade, wir brauchten uns seinem behenden Schritt nur anzupassen. Das Entscheidende war, bis an das Gebiet Mancos zu gelangen. Sobald seine Krieger uns erspäht hätten, würden sie sich um uns kümmern.
    Die Expedition nach Chile hatte Martin gestählt. Er bewältigte erfreulich gut die jähen Wechsel zwischen glühender Hitze und Frost, die den Reisenden bei uns übergangslos treffen und die Euch so sehr zu schaffen machen …
    Nein, ich beharre nicht, Pater Juan. Wenn Ihr meine Kokablätter

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