Die Favoritin
majestätisch ihre ockerfarbenen und weißen Bauten, ihre Hauben aus buschigem Grün und verzweigten sich ihre verschwenderisch vielen Treppen.
Unsere Ankunft war gemeldet worden. Die Terrassen wimmelten von Männern, Frauen und Kindern. Dennoch, stellte ich fest, keine Musik, keine Tänze. Erstarrte Gesichter, und stumm. War es ein Vorgeschmack des Empfangs, den ich von Manco zu erwarten hatte? Mir wurde der Mund trocken.
Plötzlich schoß etwas wie eine Kugel quer über den verlassen liegenden Platz, über die Brücke, die den blauen Kanal überspannte, sprang in meine Sänfte, warf mich fast um.
»Qhora!« flüsterte ich.
Mehr brachte ich nicht heraus.
Qhora küßte mir Saum und Hände. Sie war gealtert, tiefe Schatten höhlten ihr flaches, langes Gesicht, das nicht zu ihrem kleinen Wuchs paßte, wie bei Zwerginnen oft.
»Wenn du mich noch einmal verläßt, bring ich mich um!« sagte sie.
»Qhora, Qhora!« Ich drückte sie, streichelte ihr Haar.
»Der Inka hat das mit dem Kind erfahren, wir wußten«, murmelte sie. »Unser Täubchen, unser liebliches Reis …«
»Still«, sagte ich, »still, nicht jetzt … Ist Manco guter Dinge?«
»Wer könnte die Gedanken des Inka erraten. Er hat befohlen, dich zum Palast zu bringen. Ich weiß es von Inkill Chumpi. Sie hat mich zu sich genommen. Seit du fort bist, wohnt sie in deinem Palast … Den Fremden hinter deiner Sänfte kenne ich doch.«
»Es ist Martin de Salvedra, der Cousin von Villalcázar.«
»Das Ungeheuer!« knurrte Qhora.
»Martin ist gut. Er will um Asyl bitten, die Seinen suchen ihn und wollen ihn hängen.«
»Es sind schon Fremde da.«
»Du meinst, weiße Männer?«
»Ja, fünf. Es sind fünf. Der Inka hat ihnen ein Haus bauen lassen und sie mit Frauen versorgt. Sie wurden auch gesucht.«
Ich rief Martin und übersetzte ihm, was Qhora mir mitgeteilt hatte. Die überraschende Nachricht brachte einen Wechsel mit sich. Sie gab Martin wieder ein wenig Frische und verhalf mir, meine Aufregung zu beherrschen.
Die Krieger setzten die Sänfte in einem Hof des Palastes ab und verschwanden mit Qhora.
Martin und ich warteten.
Ich spazierte zwischen Kantutabüschen und blaublühendem Salbei in der Runde. Das einzige Geräusch kam von einer Fontäne, die sich in ein großes Becken im sandigen Boden ergoß. In den Kissen kriechenden Grüns, die es umschlossen, tummelte sich eine ganze kleine Tierwelt aus Gold. Das Gesprudel des Strahls und die Wasserreflexe verliehen den Fischen, Fröschen und Salamandern den Anschein von Leben und Bewegung. Im Wasser wellten sich winzige gelbe Flammen. All diese kostbare Schönheit hatte es im vorigen Jahr noch nicht gegeben, als wir im Mai ins Yucaytal gezogen waren.
Die Sonne ging unter. Der Himmel verdüsterte sich. Diener erschienen mit Kienfackeln. Sie boten uns einen Imbiß. Ich lehnte ab.
»Friert Ihr nicht?« sagte Martin. »Wie lange werden wir noch warten müssen? Ich sage das nicht meinetwegen, ich darf mich nicht beklagen, aber Ihr … Könntet Ihr nicht fragen?«
»Lieber Freund! Wen oder was fragen? Niemand hat das Recht, den Inka zu fragen. Früher war es mir erlaubt, aber da wandte ich mich an den Mann; doch wenn der Mann strafen will, wird er wieder zum Gott. Wenn es Manco gefällt, läßt er uns hier bis morgen.«
»Es ist meine Schuld. Ihr seid mir zuliebe mitgekommen.«
»Martin! Wann hört Ihr einmal auf, Euch immer schuldig zu fühlen! Beruhigt Euch damit, daß Ihr nur der Vorwand wart, der mir fehlte. Ich selbst habe es gewollt.«
Gesang ertönte. Diener kamen in den Hof und baten uns, ihnen zu folgen. Wir durchschritten mehrere Galerien, und schließlich geleitete man uns in den großen Saal, wo Manco sich nach der Abendmahlzeit zu zerstreuen beliebte.
Meine Augen, an das Halbdunkel unserer Hütten gewöhnt, begannen zu zwinkern. Im Kreuzfeuer des Goldes, das die Wände vom Boden bis ans Gebälk bedeckte, erkannte ich die übliche Gesellschaft der Würdenträger, eine Gruppe von Sängerinnen mit Flöte und Tamburin und ganz hinten Manco, der saß und Chicha trank, eine Hand auf dem Kopf seines Lieblingsjaguars; zu seinen Füßen kauerten seine Frauen, und ihre mit Goldreifen gefaßten Haare schimmerten wie Seidendocken. Das einzige Ungewohnte in dem Gemälde, in dem auch ich so lange meinen Platz gehabt hatte, waren weiße Männer in Wams und Stiefeln, auch sie ihren Becher in der Hand.
Ich raunte Martin zu: »Geht, als hättet Ihr Eure Landsleute nicht bemerkt. Auf den Inka, allein
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