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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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nicht wollt, müßt Ihr keine nehmen! Ihr leidet scheinbar gerne. Hat man Euch einmal gesagt, daß Ihr zu denen gehört, die, um sich nur recht zu schinden und ohne eigentliche Berufung, bis zum Martyrium gehen?
    Martin bekam wieder Farbe. Zu meiner Freude sah ich ihn über Maïtas Späße lachen, ein Kerl wie ein Baum, geschwätzig, ein großer Trinker, Züge wie mit der Axt zugehauen, aber Gold in den Augen und immer zum Scherzen aufgelegt, sogar als wir drei Flüsse auf schwanken Fähren überqueren mußten, die er nur fortbewegen konnte, indem er in das eisige Wasser stieg.
    Was mich angeht, so war ich trunken vor Weite und Freiheit.
    Ich hatte es versucht – aber ein Leben, das sich still unter der Asche verzehrt, war nichts für mich. Ein kleiner Tod. Mit Martin und Maïta lebte ich auf. Eine Frau muß sich als Frau fühlen können. In der Ayllu hatte meine Vergangenheit mich begraben. Dort hatte ich keine Jugend, kein Geschlecht mehr gehabt, ich war eine ehrwürdige Antiquität!
    Und mit einemmal wurde ich wieder jung, jung wie zu der Zeit, bevor der Schatten eines kleinen Mädchens zwischen mich und das Licht getreten war. Doch je näher wir dem Ziel kamen, desto schwerer wurde mir das Herz vor Furcht.
    »Ihr seid müde, Asarpay«, sagte Martin. »Heute abend schlagen wir beizeiten das Lager auf. Ein Tag mehr oder weniger … Maïta wird uns ein köstliches Mahl bereiten, und wir plaudern. Mein Gott, ich hatte vergessen, daß das Leben auch seine Freuden hat! Dank Euch …«
    Martin hatte es nicht eilig. Mich trieb es vorwärts und trieb mich auch nicht. Manco wiederzusehen … Wie würde er mich empfangen? Froh oder mit Beschimpfungen, mit Vergebung oder dem endgültigen Abschied?
    Die Ängste wuchsen. Ich hielt es für ehrlicher, Martin die Wahrheit zu sagen.
    Wir hatten unser Abendessen beendet, einen gebratenen Fasan, den Maïta tags zuvor erlegt hatte, und Früchte, die er im Wald gefunden hatte, eine Art große Birne mit einem Kern, deren Namen ich nicht weiß. Ihr Fleisch ist sehr süß und duftet. Wir blickten ins Feuer. Während Martin einen Becher Chicha trank, erzählte ich ihm die schreckliche Szene, die mich gegen Manco aufgebracht hatte.
    »Euch, Martin, wird er aufnehmen. Aber mich …«
    »Ihr meint, er weist Euch ab? Ich bin überzeugt, der Inka hat die Worte längst bereut, die ihm der Zorn damals eingab. Er ist heftig, heißblütig … Habt Ihr einmal bedacht, daß er auf die Liebe, die Ihr Eurer Tochter schenktet, vielleicht eifersüchtig war? Es gibt solche Charaktere, die nicht teilen können, Egoisten aus zu großer Liebe. Aber Euch abweisen … Eine Frau wie Euch abweisen, Asarpay! Welcher Mann könnte das!«
    Martin verstummte.
    Manches Schweigen ist beredt. Das seine enthüllte mir überraschend, was er für mich fühlte.
    Maïta hatte sich als guter Gefährte und hervorragender Führer bewährt. Wir nahmen Abschied von ihm, als wir von Mancos Kriegern angerufen wurden.
    Maïta kehrte zurück ins Dorf. Ich war untröstlich, weil ich nichts hatte, was ich ihm schenken konnte. So gab ich ihm einen schönen rostroten Stein, der wie ein Ring gehöhlt war und den ich aus einem Bach gefischt hatte. Er nahm ihn, als wäre es ein Schatz, und ich glaube, für ihn war es einer. Er nahm auch das Heiligenbild, das Martin aus seinem Gebetbuch zog, und beide Männer umarmten sich und klopften sich nach spanischer Sitte kräftig auf die Schultern. Martin hatte die Herzenswärme, die einfache Menschen anzieht, aber jeglicher Karriere im Wege ist.
    Unter den etwa zwanzig Kriegern, die uns umringten, kannten mich die meisten. Sie bauten sofort eine Sänfte und stritten um die Ehre, sie zu tragen. Martin folgte uns.
    Die Anspannung dieser Männer, die hier am Berg in ständiger Alarmbereitschaft lebten, war offensichtlich. Die Rufe der Wachen ersetzten hier das Trillern der Vögel. An strategischen Punkten oberhalb der Zugangswege tauchten Köpfe hinter Steinhaufen auf, die dazu bestimmt waren, jeden Eindringling, jede Armee vom Aufstieg abzuhalten.
    Als wir die Höhen erreicht hatten, wurden Martin die Augen verbunden, und die Krieger führten ihn, als es durch die unterirdischen Labyrinthe ging. Als ihm die Binde abgenommen wurde, taumelte er und rieb sich die Augen: »Ist es noch weit bis zu der Stadt?« Ich gab keine Antwort mehr. Ungeduld, jene Ungeduld, die Manco mir so oft vorgeworfen hatte, kehrte mir den Magen um. Und auf einmal breitete sich die Stadt zu unseren Füßen, erhoben sich

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