Die Favoritin
Wanderheiler, und meistens erst Monate später, wir leben einfach vor uns hin, und es genügt uns auch. Wozu muß man alles wissen? Immerhin weiß ich, daß Ihr im vorigen Jahr Pizarro umgebracht habt, daß Almagros Sohn sich als Statthalter hat ausrufen lassen … ohne daß übrigens der Wechsel meinem armen Volk irgend etwas gebracht hat. Jedenfalls glaubte ich, daß Diego seine Vergeltung noch immer auskostet, und Ihr mit ihm.«
»Im vorigen Monat wurden wir im Tal von Chupas geschlagen, zwischen Jauja und Amancay … Asarpay, hättet Ihr wohl …? Ich habe seit zwei Tagen nichts gegessen.«
Auch der Tisch des Curaca, dessen zweite Frau mir die besten Bissen brachte, war karg. Ich wärmte ihm einen Rest Erbsen- und Bohnengemüse und eine Quinuamehlsuppe.
Martin schlang alles in sich hinein, starren Auges, ohne ein Wort.
Danach bot ich ihm Chicha, aber er wollte nur Wasser. Dann erhob er sich und begann auf und ab zu wandern.
»Die Schlacht von Chupas war ein einziges Gemetzel. Einige von den Unseren stürzten sich lieber in die Lanzen des Feindes, als gefangen zu werden.«
Ich unterbrach Martin.
»Wer befehligt Pizarros Partei, seit er tot ist?«
»Gonzalo war gesonnen …«
»Gonzalo? Gonzalo Pizarro? Ihr wollt doch nicht sagen, Gonzalo Pizarro sei von seiner Expedition zurückgekehrt, aus dem Dschungel der Antis kehrt keiner zurück.«
»Er ist wieder da. Gonzalo mag sein, wie er will, aber was Mut und Ausdauer anbelangt …! Aus dem sagenhaften Zimtland, das er entdecken wollte, hat er – und in welchem Zustand! – nicht mehr mitgebracht als seine Haut und ein paar Dutzend seiner Gefährten, aber allein das ist schon eine unerhörte Leistung. Als er in Quito den Mord an seinem Bruder erfuhr, schwor er, uns bei lebendigem Leib zu zerstückeln … Wir haben Pizarro erschlagen, um Almagro zu rächen, jetzt fordern die Pizarroleute den Kopf von Almagros Sohn, und wenn sie den haben, wer kommt dann an die Reihe? Es ist ein Unheil! Was Gonzalo Pizarro angeht, so wurde er von dem Stellvertreter Seiner Majestät, einem gewissen Vaca de Castro, der unsere Zwistigkeiten regeln soll, angewiesen, sich herauszuhalten. Und Vaca de Castro führte im Tal von Chupas den Oberbefehl. Eine Schlächterei, wie ich schon sagte! Diego de Almagro, mir und einer Handvoll anderer gelang die Flucht. Aber die Soldaten Vaca de Castros fingen Diego in der Nähe von Cuzco. Sie werden ihn hinrichten. Seitdem verstecke ich mich. Wenn sie mich schnappen, werde ich gehängt.«
Martin rang die Hände.
»Als ich mich mit dem Gedanken schlug, Pizarro zu töten, sagte ich mir: ›Tu, was du tun mußt. Dein Leben ist unwichtig.‹ Und heute, da unsere Partei vernichtet, meine Zukunft ruiniert ist und mich nichts mehr hält, scheut das Tier, bäumt sich auf und erschrickt vor dem Tod! Wenn das nicht zum Lachen ist, wie klein, wie jämmerlich sind wir doch!«
Ich wollte ihn beruhigen.
»Martin, was Ihr jetzt braucht, ist Schlaf. Morgen …«
»Morgen, da bin ich längst fort! Ich kann nicht hierbleiben, ich würde Euch in Schwierigkeiten bringen … Asarpay, als sie Diego faßten, hatte er versucht, sich zu Manco durchzuschlagen. Der Inka war Almagros Sohn immer gut gesinnt, er hätte ihm Asyl geboten. Und ich … Erinnert Euch, als Almagro und ich Euch damals in Cuzco besuchten, zeigte Manco sich immer freundlich. Deshalb … Ehrlich gesagt, ich hatte gar nicht erwartet, Euch hier zu finden, ich dachte nur, wenn ich Euren Namen riefe und mich mit den paar Wörtern verständlich machte, die ich von Eurer Sprache kenne, würde dieses Dorf mir einen Führer geben, der mich in die Berge bringen könnte, in die Richtung, wo sich der Inka verborgen hält … Wäre Euch das möglich: mir einen Führer zu beschaffen?«
Ich legte meine Hand auf seine Hände.
»Es genügt, daß Ihr mein Freund seid, damit sind alle Leute unserer Ayllu auch die Eurigen. Ich spreche gleich mit dem Curaca, er wird Späher aufstellen, Ihr braucht nichts zu fürchten. Ich werde Euch noch ein bißchen zu essen mitbringen, und dann schlaft Ihr hier, ich übernachte bei den Frauen des Curaca. Ruht Euch aus, Ihr habt es bitter nötig. Was Manco angeht, darüber reden wir morgen … Und, Martin, ehe Ihr Euch hinlegt, zieht Eure Kleider aus, Decken findet Ihr, und legt alles auf die Schwelle, ich werde versuchen, Euch wieder zu ein bißchen Ansehnlichkeit zu verhelfen. Ihr braucht auch ein Flintmesser, um Euren Bart zu scheren. Wasser gibt es weiter oben am
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