Die Favoritin
es tun, entweder er oder über kurz oder lang wir!‹ Wir hatten unsere Kürasse noch an, wir packten die Hellebarden, außerdem hatten wir zwei Armbrüste und eine Hakenbüchse, und es ging los auf den Platz.«
»Wie viele wart Ihr?«
»Keine zwanzig. Diego war nicht dabei. Er wurde für einen Mord verurteilt, der ohne ihn geschah. Die Messe war zu Ende, es waren wenig Leute vor der Kathedrale. Übererregt, wie ich war, brüllte ich mit den anderen: ›Es lebe der König! Tod den Tyrannen!‹, Mordlust brannte in meinen Schläfen, ich hatte nur eines im Kopf: töten! Ein Page bemerkte uns und lief in den Palast, um Alarm zu geben. Wir folgten ihm, erstiegen die Treppe. Eine Tür schlug zu. Es war die Saaltür. Sonntags, am Tag des Herrn, pflegte Pizarro zu empfangen. Als seine Gäste, die waffenlos waren, unser Geschrei und Gestampfe vor der Tür hörten, flohen sie durch Fenster und Flure, so leid es mir für ihre Ehre tut … Da ging die Tür wieder auf. Ob der Hauptmann Chavez, dem die Bewachung des Saals oblag, die Tür vor Schreck geöffnet hat oder um sein Leben zu retten, wird man nie erfahren. Ihn fällte ein Stoß in die Kehle. Wir drangen in den Saal ein. Niemand da. Meine Beine trugen mich plötzlich kaum mehr, Brechreiz überkam mich. Wir rannten von Raum zu Raum, bis zu einem Verschlag, den Pizarro wahrscheinlich für geeigneter hielt, sich dem Angriff zu stellen. Da stand er mit zwei Pagen und dem letzten seiner Brüder, Martinez de Alcantara, der einzige, der kein Pizarro war. Die Pagen und Alcantara wurden sofort durchbohrt. Nur noch der alte Mann mit seinen dreiundsiebzig Jahren, groß, hager, unbeirrbar, schwang sein Schwert, und wenn er es auf mich gerichtet hätte, ich schwöre, Asarpay, ich hätte nicht vermocht, ihm auszuweichen! Ich versuchte, meinen Haß, meinen Groll zu sammeln, aber ich war leer wie eine Nußschale … Pizarro hielt stand. Außer sich vor soviel Hartnäckigkeit, stieß einer von uns den Kameraden vor ihm in Pizarros Schwert. Der spießte ihn auf, dabei öffnete er seine Deckung und empfing den entscheidenden Stoß in die Kehle. Ich will lieber nicht davon sprechen, wie sie anschließend über ihn hergefallen sind. Endlich brach er zusammen. Mit letzter Kraft zeichnete er mit seinem Blut ein Kreuz auf den Boden und hauchte aus. Es war keine schöne Sache.«
»Aber Ihr wolltet seinen Tod, Martin!«
»Nicht den. Etwas Sauberes.«
»Findet Ihr, daß es von Pizarro sauber war, den alten Almagro in seinem Kerker erdrosseln zu lassen?«
»Nein. Bestimmt nicht. Aber wenn man diejenigen nachahmt, deren Taten man verachtet, wird man dann nicht auch wie sie? Diese Schlächterei … Und jetzt ist Almagros Sohn enthauptet, von den vielen tapferen Soldaten, die in unseren Bruderkämpfen schon geopfert worden sind, ganz zu schweigen! Wann hören wir endlich auf, uns gegenseitig hinzumetzeln?«
»Die Götter rächen sich«, sagte ich. »Unser Gold stößt Eure Häuptlinge einen nach dem anderen in die Grube. Und es ist gerecht. Wären die Spanier zu Haus geblieben …«
»Dann hätte ich Euch nie kennengelernt«, sagte Martin.
Und sein Gesicht hellte sich auf.
***
Manco kehrte zurück. Martins Besuche hörten auf. Meiner Weberei kam es zugute. Ich beendete eine Baumwollspitze, so fein, daß das ganze Stück in meine zwei Hände paßte. Ich machte daraus eine Lliclla, stickte Vögel hinein aus Gold- und Silberfäden, und da ich keine Gelegenheit hatte, das Gewand zu tragen, packte ich es weg.
Dann machte ich mich an eine Tunika. Besondere Sorgfalt hatte ich auf das Farbbad verwandt, hatte Schildlaus und Pfefferbaumrinde so lange gemischt, bis ich ein leuchtendes Ockerrot erhielt. Ich beschloß, die Wolle in einer Weise zu verarbeiten, die man in Euren Ländern als ›durchwirkt‹ bezeichnet. Natürlich versenkte ich mich in die komplizierte Arbeit, die hohes Geschick erfordert, vor allem, weil ich meinen Gedanken entrinnen wollte.
Mich bedrückte die Einsamkeit, oder vielmehr, um die Sache beim Namen zu nennen, mir fehlte ein Mann. Ich hatte zu lange keusch gelebt. Es schockiert Euch, Pater Juan, daß eine Frau das bekennt, nicht wahr? Nun, Ihr müßt wissen, so unbestritten der Vorrang des männlichen Geschlechts bei uns wie bei Euch auch sein mag, gesteht man den Frauen bei uns doch zumindest gewisse natürliche Bedürfnisse zu und erstickt sie nicht unter sakrosankter Heuchelei!
An Martin hatte ich als möglichen Liebhaber indessen nie gedacht, und ich dachte auch
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