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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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mich. Wohin mochten wir gehen?
    Wenn man so, bei geschlossenen Behängen, ins Unbekannte reist, versinkt die Zeit. Wie viele Stunden wir flußauf zogen, wer weiß? Allmählich wurde das Rauschen mächtiger – in der Regenzeit schwellen unsere Andenflüsse gewaltig an, besonders der Urubamba, der das Yucaytal durchströmt, bevor er sich dann durch das zerklüftete Relief der Sierra schlängelt.
    Auf einmal begann die Sänfte zu schwanken, ich begriff, daß wir eine Brücke überquerten.
    Huascar tippte mich an.
    »Sieh hinaus und präge dir alles gut ein.«
    Es war das erste, was er sagte, seit wir vom Palast aufgebrochen waren.
    Ich öffnete die Behänge, blickte hinaus.
    Wir befanden uns in einer Schlucht zwischen zwei bewaldeten Steilhängen. Die Sänfte bewegte sich aufwärts. Die Träger durchschritten mit erfahrenem Geschick einen dichten Wald. Stellenweise ragten Felsen jäh empor, dann ersetzten in den Stein geschlagene Stufen den Pfad. Unter uns lag der Abgrund. Tief unten wand sich der Urubamba wie eine Riesenraupe in Krämpfen durch die Schlucht. Die zweite Sänfte war verschwunden.
    Von Zeit zu Zeit hielten die Träger. Der Inka warf ihnen ein paar Worte zu, sie gingen weiter. Vor der Ruine eines alten Forts setzten sie die Sänfte zu Boden. Wir stiegen aus. Huascar teilte eine Handvoll Kokablätter aus, damit sie ihre Kräfte auffrischen konnten, während wir zu Fuß und allein weiter hinaufstiegen.
    Er schritt rasch und behende aus.
    Offensichtlich kannte er dies feuchte, dicht verwucherte Dickicht. Es roch betäubend nach Fäulnis, Baumstämme leuchteten auf, mit langen rötlichen Bartgehängen, die vor Nässe troffen, das Geäst mit Lianen und Kletterpflanzen und Orchideen wollüstig verschlungen. Ich beeilte mich, so gut ich konnte bei meinen hinderlichen Kleidern, und ich war voller Unruhe, da ich immer noch nicht wußte, was er mit mir vorhatte.
    Endlich erreichten wir eine freie Stelle unter wunderbar blauem Himmel. Ein Wasserfall ergoß sich zu unseren Füßen in einen smaragdenen See. Huascar schlug einen Bogen, ich folgte ihm wie ein Hündchen, und er ging unter dem Wasserfall hindurch, dicht entlang dem Felssporn, von dem das Wasser herabstürzte.
    Er tastete sich an der Wand vorwärts, die von Wasserpflanzen dicht überwuchert war, legte einen schmalen Durchgang frei und glitt hinein. Als ich ihn einholte, sah ich, daß wir uns in einer Grotte befanden. In einer Spur von Tageslicht, das wer weiß woher einfiel, erkannte ich zur Rechten in einer Nische, Fackeln und Stäbchen zum Feuermachen. Huascar nahm eine Fackel, hielt mir zwei Stäbchen hin. Ich entzündete sie und dann die Fackel.
    Er hielt sie hoch, und wir gingen weiter. Das Höhlengewölbe war solide abgestützt, der Boden mit trockenem Sand bedeckt, und da er stark abschüssig verlief, gerieten wir weiter und weiter in dunkle Tiefen. Ich bekam kaum mehr Luft. Mein Schrecken wuchs. Plötzlich ein phantastisches Leuchten. Ich wankte. Im Fackelschein flammte Gold in so unfaßlicher Masse auf, daß ich sekundenlang glaubte, unser Vater die Sonne blicke mir in die Augen.
    In seiner langsamen Art sagte Huascar: »Als ich geboren wurde, war mein Vater sehr stolz: ich war sein erster legitimer Sohn. Darum wollte er die Zeremonien, die zwei Jahre darauf zu meiner Entwöhnung statthatten, mit besonderer Pracht begehen. Huayna Capac ließ seine Goldschmiede eine gewaltige Kette herstellen, die alle dreihundert Tänzer, die zu diesem Anlaß auf dem Festplatz zu Cuzco um den Inka tanzten, miteinander verband, so als hielten sie einander bei den Händen.«
    »Die Kette des Huascar!« rief ich aus. »Sie trägt deinen Namen.«
    »Genauer gesagt, trage ich den ihren, da Huasca Kette heißt. Es ist das Gold, das du siehst. Ich habe die Kette Stück für Stück hierher bringen lassen. Um sie im Ganzen zu transportieren, hätte man fast so viele Männer gebraucht, wie zu meiner Entwöhnung getanzt haben. Heute weiß keiner mehr, wo sie ist, nur du und ich.«
    »Und die Träger?«
    »Der Mund der Toten ist stumm.«
    »Aber warum ist sie hier? Müßte sie nicht in Cuzco liegen und deinen Palast mit ihrer Schönheit erleuchten?«
    Huascar seufzte.
    »Asarpay, Atahuallpa hat mich betrogen. Er wagt das Undenkbare, er rebelliert gegen den Inka! Unter dem Vorwand, mich durch ein edles und hochrangiges Gefolge zu ehren, wenn er in Cuzco erscheint, kommt er mit seinen Armeen. Die Prunkgewänder verbergen Kürasse und Schwerter, die Diener sind verkleidete

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