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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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wieder von Manco gesprochen habe, Pater Juan, liegt es daran, daß ich in der Zeit, da ich Huascar gehörte, diese schuldige Leidenschaft verdrängte und mich bemühte, nicht an Manco zu denken.
    Wir begegneten uns gleichwohl oft.
    Manco war ein Sohn Huayna Capacs und der dritten Coya, Mama Runtu – also Huascars legitimer Halbbruder. Seinem Rang gemäß nahm er an allen religiösen Festen und Zeremonien teil. Wenn ich seine hohe Gestalt, sein schönes jähes Profil gewahrte, wurde mein ganzer Körper feucht. Ein, zwei Male hatten sich unsere Blicke gekreuzt, und ich sah in seinen Augen, was ich den meinen zu verhehlen befahl …
    Als Manco im Palast erschien und mir die Niederlage und Huascars Gefangennahme meldete, hatte ich zunächst nur Gedanken für das Unheil.
    Da Höflichkeit uns aber zur zweiten Natur geworden ist, bot ich ihm eine Erfrischung und Chicha an. Er lehnte ab.
    »Ich komme nur, dich zu warnen, Asarpay. Nimm dein Kostbarstes sowie deine Diener und flieh. Heute nacht feiert der Feind. Du hast Zeit bis morgen früh. Geh nach Cuzco. Atahuallpas Armee steht nur drei Meilen entfernt, aber ich vermute, der Fürst von Quito, sei er auch noch so gewissenlos, wird sich an unserer heiligen Stadt nicht vergreifen. Die göttliche Allgegenwart wird ihm Einhalt gebieten. Hier dagegen wirst du eine Beute der Soldaten. Leb wohl. Ich gehe in die Berge, die Unseren zu sammeln, um den Kampf fortzusetzen.«
    »Du gehst nicht zurück nach Cuzco?«
    Manco lachte auf.
    »In Cuzco bleiben nur Priester, Frauen, Kinder und Greise. Alle, die unseres Blutes sind und in kampffähigem Alter, sind entweder in der Schlacht gefallen, oder sie machen es wie ich … Huascar war unbesonnen. Dem Wort des Bastards zu vertrauen! Er hätte die in Quito stationierten Armeen längst zurückbeordern müssen. Statt dessen ließ er zu, daß zwischen Atahuallpa und den Feldherren unseres Vaters sich eine Eintracht bildete, die uns heute meuchelt.«
    Daß Manco den Inka so offen tadelte, zeigte mir das volle Ausmaß unserer Lage.
    Ich seufzte.
    »Ich habe versucht, ihn davor zu bewahren. Wer sein Gesetz diktieren will, muß stark sein. Der Inka wollte nicht auf mich hören.«
    Manco sah mich prüfend an.
    »Mir wurde gesagt, du seist so klug, wie du schön bist, Asarpay.«
    Der Ton, in dem das gesprochen wurde, ließ mich erschauern.
    Das Gemach, dieses hier, umschloß uns mit seiner goldenen Täfelung, seiner magischen Stille. Zum erstenmal sprachen wir miteinander. Zum ersten und vielleicht letzten Mal waren wir allein, er und ich. Mein Herz ging mit mir durch. Ich vergaß Huascar, Atahuallpa, die Niederlage, die Gefahr, alle Scham und Würde.
    Ich trat vor.
    »Nimm mich mit«, sagte ich, »ich liebe dich.«
    Mancos Gesicht wurde starr wie der Tod.
    »Du gehörst dem Inka.«
    »Ich liebe dich«, entgegnete ich. »Ich liebe dich, seit ich dich in Tumipampa gesehen habe. Und du … du … Warum bist du hierher gekommen? Du konntest mir einen Boten schicken. Du bist gekommen, weil …«
    »Ich bin gekommen, um dich vor den Gefahren zu warnen, die der Favoritin des Inka drohen, ich habe getan, was er nicht tun konnte. Muß man dich daran erinnern, daß er gefangen ist, vielleicht sogar verwundet? Weiter dürfen wir nicht denken. Willst du, daß auch wir ihn verraten? Wenn ich dich jetzt mitnähme, blieben dir nicht Tage genug, es zu bereuen.«
    Und er ging, überließ mich meinem Leid und meiner Schmach.
    Rufe und Schritte hallten durch die Nacht. Manco und sein Gefolge entfernten sich.
    Ich war keuchend, wie zerstört auf eine Matte gesunken und biß mir die Lippen wund, um meine Schreie zu unterdrücken. Erst das Klagegeheul der Diener, das den Palast erfüllte, die düsteren Bilder, die ihre Angst heraufbeschwor, brachten mich zurück in die Wirklichkeit.
    Wieder bei Sinnen, empfand ich nur noch Zorn, ich haßte Manco … Oh, wie ich ihn in dem Augenblick haßte! Und am meisten, weil seine Haltung meine Unvernunft beschämt hatte; aber der Haß gab mir wieder Kraft.
    Als ich aufstand, war ich wieder ich selbst, diejenige, der als kleines Mädchen der Vater meines Vaters gesagt hatte: »Pack das Unglück, und die Götter werden dir helfen, ihm den Hals umzudrehen!«
    Als erstes schickte ich einen Mann hinauf zu den Weiden, den Oberhirten zu holen, dann rief ich die Bediensteten in eine große Halle, wo sonst die Chicha bereitet wurde, und hieß sie singen und tanzen, um uns die bösen Geister fernzuhalten und die himmlische Güte

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