Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
Vom Netzwerk:
sicher, dort gäbe es schönes Land einzunehmen. Aber nach dem Willen meines Vaters ist Atahuallpa das Königtum Quito zugefallen, und Eroberungen sind nur von seinen Grenzen aus möglich. Für ihn. Für diesen Intriganten, diesen Ehrgeizling, der meine Macht so schon vermindert! Das muß aufhören. Einer meiner Würdenträger ist in dem Sinne auf dem Weg nach Quito. Atahuallpa soll Quito behalten dürfen, aber unter der Bedingung, daß es Teil des Reiches bleibt und daß der Bastard auf jeden anderen Anspruch verzichtet und sich hier in Cuzco als Vasall unterwirft.«
    Während Huascar mir dies vortrug –, es war die längste Rede, die ich bislang von ihm gehört hatte –, dachte ich daran, daß die Feldherren Huayna Capacs nach seinem Tod alle in Quito geblieben und, wie es hieß, Atahuallpa ergeben waren, weil sie die kriegerischen Fähigkeiten des verstorbenen Inka in ihm verkörpert sahen. Ich hätte es klüger gefunden, zuerst einmal die Armeen zurückzurufen, bevor man den Fürsten von Quito brüskierte. Ich versuchte meine Meinung so zartfühlend wie möglich auszudrücken, doch wurde ich roh unterbrochen.
    Zum erstenmal sah ich Huascar in Zorn. Ich schloß daraus, daß er sich der Unterwerfung seines Halbbruders weniger sicher war, als er vorgab.
    Zwei Wochen darauf teilte er mir freudig mit, er habe durch seine Kuriere Antwort von Atahuallpa. Der Fürst von Quito erkläre sich in den verbindlichsten Begriffen bereit, seiner Vorladung nachzukommen.
    In Cuzco wurde mit der Vorbereitung großer Feste begonnen. Wenn Ihr unsere Geschichte ein wenig kennt, Pater Juan, dann wißt Ihr auch, daß es nie dazu kam.
    Eines Nachts erschütterte ein schreckliches Unwetter unsere Berge.
    Ich war hinausgegangen, nach dem Himmel zu schauen, als der Blitz in ein Nebengebäude des Palastes einschlug. Die Dienerschaft hatte sich zu mir gesellt. Voller Schrecken sahen wir, wie der Zorn der Götter sich auf das Strohdach entlud. Sowie das Feuer gelöscht war, ließ ich sämtliche Öffnungen des Hauses verstopfen, damit der Fluch, der mit dem Blitz hineingefahren war, gefangen bleibe und uns nicht auch erreiche.
    Tags darauf wollte ich ins Bad, mich zu reinigen. Eine Zwergin, die der Inka mir geschenkt hatte, ging voraus. Heulend kam sie zurück. Auf der Schwelle saß eine Kröte. Kröten, Fledermäuse und andere häßliche Tiere sind, je nach dem Ort, wo man sie findet, für uns warnende Zeichen vor nahendem Unglück. Das weiß eigentlich jeder, aber vielleicht wißt Ihr es nicht, Pater Juan, obwohl die Spanier sehr abergläubisch sind … Mein seliger Gatte pflegte sich zu bekreuzigen, wenn er zu seiner Linken einen schwarzen Vogel fliegen sah; und zertrat er aus Versehen eine Spinne, war für ihn der ganze Tag überschattet. Hingegen behauptete er, einer Hinrichtung beizuwohnen bringe ihm Glück im Spiel, und er war dann stets bester Laune.
    Am Tag nach dem Unwetter rutschte ich auf einer Treppe aus und hatte eine Fehlgeburt. Das Kind war ein Knabe.
    Die folgenden beiden Monate schleppte ich mich elend durch den Palast.
    Der Schmerz über den Verlust des Kindes schien die Götter nicht besänftigt zu haben. Ich spürte, daß ihr Zürnen weiter umging.
    Ein Seher, der seiner Frömmigkeit und Seherkraft wegen im ganzen Tal hoch geachtet wurde, kam auf meine Bitte, die Eingeweide eines Lamas zu befragen. Das Tier entglitt den Händen, die es hielten, als der Seher ihm die Seite aufschlitzte. Man brachte ein zweites, ein herrliches Tier mit ganz schwarzem Fell, und opferte es … Als das Gekröse ausgenommen wurde, brach die Luftröhre. Der Seher weigerte sich fortzufahren. Es waren unheilvolle Zeichen genug.
    In Cuzco gingen die Vorbereitungen für den Unterwerfungsschwur Atahuallpas zügig voran. Huascar, dem viel daran lag, der Zeremonie den prunkvollsten Widerhall zu geben, kam selten ins Tal. Ich sah ihn kaum und freute mich beinahe: mein bekümmertes Gesicht hätte ihm wenig gefallen.
    Eines Nachts, Ende Dezember, stand er plötzlich in meinem Gemach.
    »Zieh dich an.«
    Ich erhob mich gehorsam.
    Vor dem Palast war nichts von dem zahlreichen Gefolge zu sehen, das ihn sonst überall begleitete, nur ein paar Wachen und zwei bescheiden anmutende Sänften … Er ging auf die eine zu und winkte mir, mit ihm einzusteigen. Die Träger grüßten uns.
    Wir brachen in die Berge auf, kehrten Cuzco den Rücken. Die zweite Sänfte folgte.
    Vor dem Inka wahrte ich Schweigen. Aber sein Kommen bei Nacht, seine Stummheit ängstigten

Weitere Kostenlose Bücher