Die Favoritin
und an den wir uns schwer gewöhnen. Wenn von Peru die Rede ist, wissen die meisten von uns nicht einmal, was gemeint ist.
Das Reich des Manco Capac umfaßte zunächst nur wenige Meilen. Sehr bald aber, und mehr durch Überzeugung denn mit Gewalt, wuchs der Machtbereich seiner Nachfolger, so wie das Wasser einer Quelle, das sich je nach dem Hindernis seinen Weg bahnt und schwillt und beharrlich seinem Laufe folgt, bis es Fluß und Strom geworden ist.
Eins nach dem anderen unterwarfen sich die benachbarten Völker, da sie die Überlegenheit unserer Armee und unserer Sitten anerkennen mußten. Die sich auflehnten, wurden besiegt, doch unter Vermeidung jedes unnötigen Schadens, um den Reichtum des Landes nicht zu versehren. Manchmal wurden die Einwohner umgesiedelt und durch eigene Leute ersetzt, damit sie die Feuer des Widerstands löschten und unsere Bräuche und Methoden der Bewässerung, des Ackerbaus und der Architektur einführten. Die Politik gegenüber den eroberten Provinzen war weise: sie bestand in der Aufwertung der Anbauflächen, so daß die Bevölkerung in den Genuß unserer Erfahrungen und unserer Organisation kam. Der Inka zwang ihnen nichts auf, was er nicht auch von den Seinen forderte, nämlich unseren Kult auszuüben, unsere Sprache zu sprechen, unsere Gesetze einzuhalten und den Tribut zu entrichten, den ihm jedes Familienoberhaupt schuldete. Der Hunger hörte auf, eine ständige Bedrohung zu sein. Die Schwachen erhielten Schutz, Kleider, Nahrung, und die Beamten hatten den Auftrag, über die Einhaltung unserer Grundsätze zu wachen, und waren für ihr Tun und Lassen verantwortlich vor den Richtern …
Ein Beispiel, Pater Juan, möge Euch veranschaulichen, was ich sagte. Auf Diebstahl stand der Tod durch Erhängen – einem anderen sein Eigentum zu rauben, und wäre es nur eine Kalebasse voll Mais, wurde bei uns schwerer geahndet als Mord oder andere Verbrechen. Sollte indes jemand gestohlen haben, weil er Hunger litt, mußte nicht er dafür büßen, sondern der für ihn verantwortliche Beamte, der seine Not hätte sehen und für Abhilfe sorgen müssen. Ist das nicht eine bemerkenswerte Gerechtigkeit? Habt Ihr Vergleichbares in Spanien? Ich frage Euch, weil Eure Landsleute hier sich eher auf ihr Schwert zu verlassen scheinen als auf die Gerichte, wenn es Streitigkeiten zu entscheiden gilt.
***
Nach zwei Jahren befanden die Amauta, daß meine Bildung sie zufriedenstelle.
Dann wurde ich schwanger. Ich hatte befürchtet, unfruchtbar zu sein, es war also eine große Freude. Huascar teilte sie. Seine Liebe wurde noch inniger.
Die Verehrung, die dem Gott gebührte, hatte mir lange verboten, den Menschen zu beobachten. Inzwischen war ich mutiger geworden. Ich getraute mich, der Wahrheit ins Auge zu sehen, und entdeckte Schwächen in seinem Charakter, eine gewisse Trägheit, eine Unentschiedenheit, die ihn manchmal zu großen Ausbrüchen verführte, an denen der Verstand nicht beteiligt war. Diese Schwächen waren, ohne daß er es ahnte, für mich das Beste an ihm, sie vermochten mein Herz zu rühren.
Gestärkt durch die neue Art unserer Beziehungen und durch das Kind, das ich trug, fragte ich ihn eines Tages, wann er es seinen Vorgängern gleichzutun und das Reich um eine Eroberung zu vergrößern gedenke.
Wir waren, das weiß ich noch, in einem der Gärten, er saß auf einer goldenen Bank, ich kauerte zu seinen Füßen und streichelte meinen Jaguar. Die Sonne warf rote Flammen auf das Dach des Palastes, überall dort, wo Golddrähte das Stroh überspannten. Weit unter uns wellte sich das grüne Tal, und von den niedrigen Zweigen eines Pisonay beäugten uns drei kleine grüne Papageien.
Meine Frage wurde mit Schweigen beantwortet. Huascar kaute weiter seine Kokakugel, sein Blick blieb undurchdringlich.
Etwa zwei Monde später sagte er an derselben Stelle unvermittelt zu mir: »Ich habe beschlossen, die Teilung, die Huayna Capac verfügt hat, rückgängig zu machen. Wie soll ich anders die Politik meiner Vorfahren fortsetzen, die immer darin bestand, Gebiete hinzuzugewinnen? Da du, Asarpay, jetzt so vieles weißt, geh in Gedanken mit mir die Grenzen unseres Landes durch. Im Süden gehört uns die Hälfte von Chile, aber die araukanischen Krieger jenseits des Maulli-Flusses sind so blutrünstig und kampflustig, daß kein Inka sich je darüber hinaus gewagt hat. Im Osten liegt ebenso unüberwindlich der Dschungel. Der Westen wird durch das Meer begrenzt. Bleibt einzig der Norden … Im Norden,
Weitere Kostenlose Bücher