Die Favoritin
anzurufen.
Als ich ihrer auf die Weise ledig war, befahl ich Marca Vichay, mir zu folgen.
Marca Vichay hatte, bevor der Inka ihn mir schenkte, seiner Leibgarde angehört. Es war ein prächtiger Bursche, schön gewachsen, ein kluger, lebhafter Kopf, wie man sie oft bei den Canjaris findet, einem Stamm südlich von Quito. Seit er in meinem Dienst stand, hatte ich nur Grund, ihn zu loben. Außerdem wußte ich, daß er sehr vernarrt in mich war – eine Frau errät derlei bei allem Respekt –, und mir erschien dies eine zusätzliche Gewähr für die Aufgabe, die ich ihm anvertraute, da ich ihr allein nicht gewachsen war.
Wir arbeiteten schnell und gut, ohne überflüssige Worte.
Die Statuen und Vasen, das Geschirr, die Küchengeräte, kurz, alles, was aus Gold war, dazu die Behänge aus Leder und Federn, die Decken aus Vikunjawolle, unschätzbare Werte, die Jaguarfelle und kostbaren Teppiche wurden hinuntergeschafft in den geheimen Saal, den Huascar beim Bau des Palastes darunter hatte anlegen lassen. Ich brachte auch meine Schmucktruhen und reichsten Gewänder dorthin.
Als der Vollmond im Morgengrauen verblaßte, holte Marca Vichay die goldenen Blumen aus den Gärten. Er mußte seine Arbeit abbrechen, als er den Oberhirten von den Weiden herabkommen sah. Wir verschlossen also den Eingang zu dem geheimen Saal, der in meinem Gemach hinter Steinornamenten verborgen lag, und beließen es dabei. Ich schilderte dem Oberhirten die Lage, befahl ihm, meine Lamaherden unverzüglich hoch in die Berge zu führen und dort solange zu bleiben, bis ich persönlich die Anweisung widerriefe. Damit ging er.
»Marca Vichay«, sagte ich, »ich müßte dich töten, damit dein Mund mich nicht verrät. Darum zeige dich der Gnade würdig, die ich dir erweise, und des Vertrauens, mit dem ich dich ehre. Hüte den Palast, so gut du kannst. Wenn Atahuallpas Soldaten kommen, versuche nicht, dich zu widersetzen. Sollen sie nehmen, was wir nicht verstecken konnten, nur den geheimen Saal gib niemals preis. Du bürgst mir dafür mit deinem Leben. Jetzt geh, wähle dir unter den Dienern die verläßlichsten aus, die anderen begleiten mich nach Cuzco … Vergiß nicht, die Dörfer zu warnen. Wenn der Feind kommt, sollen sie in die Berge gehen. Ein Haus läßt sich neu bauen, die Erde wieder bestellen, aber das einmal getrunkene Blut gibt sie nicht mehr heraus.«
Meine Zwergin half mir beim Ankleiden. Das Geschmeide, das ich trug, als Manco kam, behielt ich an mir und nahm nur wenige Gewänder mit. Entweder käme ich in ein paar Tagen zurück, oder ich würde nichts mehr brauchen. Ich versah mich auch mit Kokablättern, obwohl ich noch nicht wußte, wie nützlich sie mir sein würden.
Der Morgen in unserem Tal ist herrlich. Als ich mit meiner Schar von Klageweibern und verschlafenen Dienern den Palast verließ, erhob sich die Morgenröte und tupfte mit ihren Rosenfingern den weißen Granit.
Vor dem Tor stand, eingerahmt von meinen Jaguaren, die an ihren Goldketten zerrten, Marca Vichay. Sogar inmitten all der Wirren hatte er nicht vergessen, über sein Haar, das er nach Art der Canjaris lang und zum Knoten gerafft trug, den mit grünen, roten und blauen Flechten geschmückten hölzernen Reif zu stülpen, der seiner Provinz eigen war.
Mit diesem letzten Bild schloß ich die Sänfte und erlaubte mir, endlich, endlich zu weinen und mich meinem Herzen zu überlassen.
Die Vororte von Cuzco waren in Panik.
In den Häusern, die hier die Fürsten der eroberten Provinzen hatten erbauen müssen, ging alles drunter und drüber. Im Dezember eingetroffen zu einer großen Jagd, die der Inka veranstaltet hatte, flüchteten sie nun Hals über Kopf. Verstörte Wächter liefen aus und ein, Reihen von Trägern verstopften die Straßen, und ich konnte an ihren Merkmalen in aller Muße erkennen, wer sich so hastig davonmachte. Die mit den starkfarbigen Wollmützen waren die Collas, die mit dem schwarzen Turban die Huancas, die mit den Schleudern die Chachapuyas … Ich höre auf, Euch sagt der Name dieser Völker nichts, mich aber versetzte es in größte Bestürzung, sie alle so auseinanderlaufen zu sehen. Ich hatte den Eindruck, daß die Einheit des Reiches, die unseren Inkas so teuer war, in Stücke zerbrach wie ein gemeiner Tontopf.
Der Gegensatz zwischen dem Gewimmel der Vororte und der Stille, in der die eigentliche Stadt erstarrt war, erschreckte mich noch mehr.
Im Palast des Inka hatten sich seine Mutter, seine Gemahlin und Schwester, seine
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