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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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eins von den herrlichen Tieren besteige, wie die Fremden sie besitzen, woher soll ich wissen, ob ich damit gut oder schlecht handele, ob ich auf unsere Äcker damit Regen herabbeschwöre oder Dürre? Die Tiere kommen in unseren Gesetzen nicht vor; die weißen Männer auch nicht. Als ob sie dermaßen abseits hausten, daß unsere Institutionen sie gar nicht zur Kenntnis nehmen mußten. Sollen wir strenger sein als sie? Ich habe nachgedacht, und ich, Manco, sage nein. Dieser Mann war ein Hagelschauer im Sturm, vergiß ihn und wolle fortan nur, was ich will.«
    ***
    Pater Juan, habt Ihr eine wahre Liebe gekannt? Ach, bitte, werdet nicht böse! Meine Frage hat nichts Anstößiges. Wart Ihr nicht, ehe Ihr Gott gehörtet, ein Mann?
    Ich muß Euch ein Geständnis machen: als mir Eure Ankunft gemeldet wurde, habe ich mich über Euch erkundigt. Es ist immer gut zu wissen, mit wem man es zu tun bekommt. Und außer einer Flut von Lobeshymnen erfuhr ich, daß Ihr, ganz wie Euer Ordensgründer … Ignacio de Loyola, wenn ich nicht irre? … daß Ihr in früher Jugend höchst leidenschaftlich wart. Meinem Informanten zufolge saßen Euch alle Teufel im Leib, wenn Ihr eine Frau besitzen wolltet.
    Wer mir das gesagt hat? Pater Juan! Werde ich das denn verraten? Die Gesellschaft Jesu ist sehr eifersüchtig. Nicht alle Geistlichen verfügen über die subtile Intelligenz, das Wissen, die bewundernswerte Geschmeidigkeit des Geistes und die Kühnheit, die Euren Orden auszeichnen. Ich brauchte mich nur an den Bischof zu wenden. Meine Almosen sind gewisse Freundschaftsdienste wert. Man hat sich ein Vergnügen daraus gemacht … Ich hatte sogar den Eindruck, daß Eure Gegenwart stört und daß man recht froh wäre, Euch rasch wieder los zu werden!
    Es täte mir leid, wenn meine Offenheit Euch verletzte. Mir schien vielmehr, sie sei ein Beweis des Vertrauens zwischen uns … Bedenkt, wie unbefangen ich mein Leben vor Euch ausbreite! Gibt mir das keine Rechte?
    Daß Ihr es wißt: unsere Beziehungen wären nicht geworden, was sie sind, wenn ich Euch in Cuzco Euren Untersuchungen überlassen hätte. Lange habe ich getan, was Männern gefiel, jetzt tue ich nur noch, was mir gefällt … und es würde mir sehr gefallen, wenn Ihr mich in die Berge begleiten wolltet.
    Allerdings muß ich Euch warnen. Der Aufstieg ist hart, das Temperaturgefälle, die Höhen können demjenigen, der nicht daran gewöhnt ist, manchmal hart zusetzen, und wenn Ihr Euch entschließt, müßt Ihr bis zum Ende des Weges durchhalten. Ein Weißer ist außerstande, sich in diesen Hochlagen allein zu orientieren … Außerdem gibt es viele gefährliche Schlangen. Eine Art ist besonders giftig und heimtückisch. Sie nimmt die Farbe der Umgebung an, versteckt sich unter Farn und Fels, und wenn Ihr es am wenigsten erwartet, schnellt sie hervor und versetzt Euch den Todeskuß.
     

    Pater Juan de Mendoza
Zu Ollantaytambo, den 9. Oktober 1572
    Heute nacht fand ich keinen Schlaf. Im Morgengrauen erhob ich mich und betete mehrere Rosenkränze, jetzt sitze ich auf einer kleinen Mauer, um mir Verschiedenes zu notieren, bevor wir aufbrechen.
    Welch ungeheures Schauspiel. Einer nach dem anderen lösen sich, rosig erstrahlend, die Berge aus den Nebeln. Mir gegenüber erhebt sich die machtvolle Feste Ollantaytambo hoch über dem Fluß.
    Die Technik dieser Baumeister ist eine Herausforderung an alles, was wir Menschen einer überlegenen Zivilisation hervorgebracht haben. Wie nur vermochten sie diese riesigen Gesteinsblöcke die jähen Felsenhänge hinaufzuschaffen und sie mit einer an Vollkommenheit grenzenden Harmonie übereinanderzuschichten? Wir sind gestern dort hinaufgestiegen. Und meine Bewunderung wurde noch größer. Von nahem erscheint dem Auge die geschliffene Oberfläche der Steine sanft, daß man sie für Samt halten möchte, und sie sind mit einer solchen Präzision zusammengefügt, daß nicht einmal eine Nähnadel dazwischen Platz fände. Daß Menschen, die in manchen Dingen so barbarisch sind, die den Gebrauch des Rades nicht kennen und nicht einmal Nägel, mit primitiven Werkzeugen aus Flintstein, mit Meißeln aus Bronze und Kupfer imstande waren, solche Bauwerke zu ersinnen und auszuführen, geht über jedes Begreifen!
    Wir sind in einem Palast untergebracht. Der Besitzer, aus reinem Inkageschlecht, scheint ihr dienstbar. Welche Macht besitzt sie, daß Fürsten sich vor ihr neigen? Ich beobachtete sie, während sie die Ehrung von Indios aus der Umgegend empfing und mit

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