Die Favoritin
hielt man den alten Mann für einen Abgesandten der Götter.
Manco leistete dem König von Spanien den Huldigungseid, mit dem er die Einnahme Cuzcos durch den Eroberer offiziell anerkannte. Nach ihm schworen die Würdenträger, indem ein jeder, der Anweisung des Kronanwalts folgend, die kastilische Standarte berührte. Ich hätte um meine Smaragdkette gewettet, daß sie von der Tragweite ihrer Geste nicht einmal eine Ahnung hatten. Dann tranken Pizarro und der Inka Manco aus demselben Kelch und umarmten sich. Die Fanfaren schmetterten, die Freude kannte keine Grenzen. Ich raste.
Niedergeschlagen wohnte ich den darauf folgenden traditionellen Lustbarkeiten bei, die sich diesmal im Beisein der toten Inkas abspielten, unter der goldenen Scheibe Intis, unseres Vaters der Sonne, die der Raubgier der Soldaten entgangen war.
Es gab viel Musik, Gesänge und Tänze. Ich nahm daran teil, Manco hatte es so gewollt. Villalcázar thronte mit den Brüdern Pizarro in der ersten Reihe, schimmernd an Haar und Bart, schwarzer Samthut, weißes Seidencape überm Kettenhemd. Er ließ mich nicht aus den Augen. Ich bemühte mich zu tun, als bemerkte ich es nicht, trotzdem spürte ich, wie sein Blick an mir klebte.
Der Abend endete im Fackelschein mit einem Gelage, bei dem ebensoviel Wein von der Mancha wie Chichawein ausgeschenkt wurde.
Als wir uns allein im Schlafgemach fanden, riß Manco sich wütend die Kleider vom Leib.
»Den Pizarros breche ich das Genick!« rief er aus.
Ich ließ seinen Mantel fahren, den ich aufgehoben hatte, und warf mich an seinen Hals.
Er nahm mein Gesicht in seine Hände.
»Ganz zu Anfang, ja, da habe ich an sie geglaubt … Sie hatten Atahuallpa zerschmettert. Der verfluchte Hund erschien mir als die schlimmste Bedrohung. Wie blind ich war! Die schlimmste Bedrohung sind sie! Nach der Plünderung von Cuzco habe ich es begriffen … Es sind Männer ohne Wort und Ehre! Du hast es mir gesagt, und du hattest recht. Aber eine Frau … Frauen hören zu oft auf ihren persönlichen Groll. Ich dachte … Ich hätte mich erinnern sollen, daß du keine Frau wie andere bist! Wenn wir sie gewähren lassen, nehmen sie uns alles, alles, was uns teuer ist. Sie wollen unser Gold, aber ebenso unsere Äcker, und bald werden sie uns ihren Gott, ihre Sitten aufzwingen wollen, am Ende sind wir weniger als Lamas, gerade gut genug, die Lasten zu schleppen, die sie uns aufbürden.«
»Was hast du vor?«
»Täuschen, abwarten. Dem Schwachen bleibt nur eine Stärke: Geduld. Sich zum Schein unterwerfen, den Argwohn des Feindes einschläfern, den Wurm spielen, damit er sich Jaguar wähnt. Was glaubst du, weshalb ich mich bereit gefunden habe, ihrem König zu huldigen, weshalb ich zugelassen habe, daß Pizarro mit seinen unreinen Händen den göttlichen Llautu berührt? Im Augenblick sind sie alle hier, mit ihren Feuerwaffen, ihren Pferden. Aber sobald sie sich zerstreuen, sind wir zur Stelle. Auch wenn viele von uns dabei zugrunde gehen werden – wie viele sind wir, wie wenige sie, wir zermalmen sie einen nach dem anderen bis auf den letzten, und dann bin ich, Manco, der Herr.«
Wie schön er war, und wie jung auf einmal!
In jener Nacht begann die große Zeit unserer Liebe.
***
Einige Tage darauf sammelte Manco in seinem Namen eine fünftausend Mann starke Armee und zog mit Pizarro und einem beträchtlichen Aufgebot an Caballeros in den Kampf, die letzten Parteigänger Atahuallpas niederzuwerfen, die nach ihrer Flucht vor den herannahenden Spaniern in der Umgebung von Cuzco noch immer Unruhe stifteten.
Während seiner Abwesenheit gedachte ich einen Diener ins Yucaytal zu schicken, denn für eine Frau war es selbst mit Geleit wenig ratsam, sich über Land zu wagen. Da kam zu meiner Überraschung Marca Vichay nach Cuzco.
Ihr werdet Euch an Marca Vichay erinnern, Pater Juan, meinen Diener vom Stamm der Canaris, in dessen Obhut ich meinen Palast und meine Güter gelassen hatte?
Er sah schön aus wie immer mit seiner seidigen Haut, wie sie manche unserer jungen Männer haben, dem Haarknoten im Holzring und den Wollflechten, die ihm über den Nacken fielen. So schön, daß man ihn, bei jener Spur Hochmut, den ihm die Autorität verlieh, mit der ich ihn ausgestattet hatte, für einen Fürstensohn halten konnte. Er warf sich nieder, küßte den Saum meiner Tunika, und ich war den Tränen nahe, so freute ich mich, ihn wiederzusehen … Außerdem, was wollt Ihr, Pater Juan, jeder hat seine Schwächen, ich brauche
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