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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Bisher, denke ich, hattet Ihr keinen Grund, Euch über uns zu beklagen. Wir haben Euch aufgenommen, haben für Euer Wohlergehen gesorgt, wir haben Euch zur Verteidigung Eurer Ehre den besten und tapfersten Mann zugestanden, meinen Freund Villalcázar, hier zugegen, Ihr wollt doch nicht, daß wir es bereuen … Ihr hättet bei uns bleiben sollen. Niemand kann gleichzeitig im Freien weiden und vorm Gewitter geschützt sein.«
    Villalcázar lächelte.
    Ich besann mich der Empfehlungen Mancos, schluckte meinen Zorn hinunter und blieb höflich.
    »Wollt Ihr mich bitte entschuldigen, Señores. Man läßt den Inka nicht warten.«
    Auf dem anderen Hang des Hügels reihten sich nach ihrem Rang unsere Fürsten und Würdenträger. Für Pizarro und Almagro den Einäugigen waren Sitze aufgestellt worden und für Manco eine mit Wolle bezogene kleine Bank. Die Prinzessinnen, die sich zu ihm gesellt hatten, während ich mit Villalcázar und Gonzalo sprach, lagerten zu seinen Füßen und breiteten ihre mit Stickereien und Kolibrifedern gesäumten und gegürteten Tuniken um sich. Sie trugen Ohrgehänge aus Perlmutter, Korallen oder Lapislazuli und Hals- und Armbänder aus schwarzroten Glücksbohnen. Niemand zeigte mehr Gold. Ich blieb nach wie vor bei meiner Smaragdkette, da Steine unsere Eroberer nur im Hinblick auf das Gewicht des Metalls interessierten, in das sie gefaßt waren.
    Vom Statthalter dazu aufgefordert, erläuterte ich ihm den Ablauf der Jagd, wie sie bei uns Brauch war.
    Die Auslese begann.
    Man verfuhr stets auf dieselbe Weise. Von Hirschen, Damwild und Rehen wurden die tragfähigen Weibchen freigelassen, ebenso die schönsten männlichen Tiere. Das Fleisch der übrigen wurde an die Bevölkerung der Provinz ausgeteilt.
    Was für ein Fest gab es dann, damals in unserer Ayllu! Schließlich hatten wir kaum eine andere Möglichkeit, an Fleisch zu kommen, da dem gemeinen Mann die Jagd bei Todesstrafe verboten war.
    Pizarro unterbrach meine Erklärungen.
    »Wildbret ist auch bei uns der herrschaftlichen Tafel vorbehalten.«
    »Dem Inka wird immer nur Federwild aufgetragen, Eure Exzellenz. Dieses Gesetz wurde erlassen, um jene abzuschrecken, die sich dem Müßiggang ergeben könnten.«
    »Wo ist da der Zusammenhang?«
    »Geruhe Eure Exzellenz zu überlegen. Wer sich nach Lust und Laune eine schmackhafte, abwechslungsreiche Nahrung beschaffen kann, und obendrein noch auf vergnügliche Weise, wird kaum mit gleichem Eifer sein Feld und die Ländereien des Inka bestellen. Und wenn die Erde unbebaut bleibt, woher kommt dann der Tribut, der notleidenden Gemeinden so kostbar ist? Unsere Gesellschaft hat seit jeher auf die Weise funktioniert. Die Arbeit jedes Einzelnen kommt allen zugute, und die Anstrengung aller sichert das Wohlergehen des Einzelnen. Deshalb wird Faulheit hierzulande als ein Verbrechen angesehen: sie schadet dem Gemeininteresse.«
    Pizarro lächelte, was außergewöhnlich war.
    »Das Prinzip erscheint mir vorzüglich. Ein Volk, das sich der Arbeit weiht, ist auch ein Reichtum … Ihr seid in einem Dorf geboren, Señora Asarpay? Man sollte es nicht glauben. Frauen vom Dorf haben weder Eure Bildung noch Eure Schönheit.«
    Ich hielt dies für eine günstige Gelegenheit.
    »Der Inka hat, glaube ich, Eurer Exzellenz meinen Wunsch mitgeteilt, ein Gut zurückzuerhalten, das ich im Tal von Yucay besitze. Und da Eure Hoheit alles vermag …«
    Das lange, schmale Gesicht des alten Mannes wurde ernst unter dem breitkrempigen schwarzen Filzhut, den er nie ablegte.
    »Ich bedaure. Solche Fragen gehen mich nichts an. Wendet Euch an meine Brüder.«
    »Eben das …«
    »Ich bedaure.«
    Laute Schreie stiegen von dem Jagdgebiet auf, sie feierten die Schur der Vikunjas und Guanakos, die danach wieder in die Freiheit entlassen wurden. Die Tiere lassen sich nicht zähmen. Für uns war es das Schönste, diesem Teil der Jagd zuzuschauen, wir maßen ihm große Bedeutung bei, er machte uns stolz. Die üppigen Vliese, ob seidig, ob rauh, vom Wind der Gipfel gestrählt und genährt vom Gras der Puna, wurden in den geschickten Händen unserer Frauen zu der Wolle, die uns kleidete, den Decken, die uns vor der Kälte schützten, den Sandalen an unseren Füßen, dem Schmuck, durch den wir uns unterschieden, kurz, eine wesentliche Grundlage unserer Zivilisation, eine Gabe unserer Mutter Erde, und als solche empfingen wir sie.
    Eure Landsleute sehen die Dinge völlig anders. Sie beuten den Menschen aus bis auf die Knochen, die Natur bis aufs

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