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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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ein Soldat den Behang einer Sänfte … Wie fern schien die Zeit, als ein solcher Frevel den Verwegenen das Leben gekostet hätte! Jetzt erlaubte man es sich, uns, selbst wenn wir uns in Begleitung des Inka befanden, ganz unverhohlen anzustarren.
    Eine Frage, Pater Juan.
    Ist es in Spanien höflich, Frauen mit dem Blick auszuziehen? Nein? Ein anderes Land, und schon ändern sich also die Sitten! Runzelt nicht die Brauen, Pater Juan. Ich bin wie Ihr überzeugt, daß es Spanier gibt, die unser Geschlecht achten, aber wo sind sie? Gut, kommen wir besser zur Jagd zurück, Ihr seid noch nicht fähig, alles zu hören!
    Die Träger setzten uns auf einem Hügelrund ab, das sanft zu dem Jagdterrain abfiel, ein weites Gebiet mit saftigem Gras.
    Ohne die Pumas, Bären, Ozelots und die mitgefangenen Füchse zu zählen, die von den Männern bereits erlegt worden waren, ebenso wie Ginsterkatzen und andere Schädlinge, befanden sich innerhalb der Barriere, die von den Treibern gebildet wurde, an die zwanzig- bis dreißigtausend Tiere, Rehe, Damwild, Hirsche, Vikunjas, Guanakos. Das Wogen und Durcheinanderstrudeln der seidigen oder wolligen Felle, okerfarben, rot, graubeige, schwarzbraun und hier und dort ein Spritzer Weiß dazwischen, ist ein Schauspiel, das ich nie vergessen werde. Seither haben wir derlei nicht mehr erlebt und werden es auch nicht mehr erleben. Mancos Jagd war die letzte. Eure Landsleute ziehen lieber aus, auf eigene Faust kreuz und quer zu töten. Die Arten zu bewahren – und sei es die menschliche –, das schert sie nicht.
    Ich entstieg meiner Sänfte. Qhora beeilte sich, mein Haar zu ordnen und die Bahnen meiner Lliclla zu glätten. Obwohl ich nur meiner Aufgabe nachkam, Manco als Dolmetscherin zu dienen, fühlte ich die Augen seiner übrigen Frauen auf mir. Die meisten waren kleine Prinzessinnen aus Inkageblüt, die man zu Mancos Thronbesteigung zusammengeholt hatte. Ihre Erziehung war auf Grund der Ereignisse vernachlässigt, sie konnten sich schwer damit abfinden, daß ich den ersten Platz und jede Nacht das Lager des Inka einnahm. Die alte Denkweise verfiel. Es fehlte die feste Hand der Älteren, die im Lager von Yahuarpampa zugrunde gegangen waren. Sogar die Coya war blutjung …
    Und ich dachte gerade daran, daß ich Manco dahingehend beeinflussen sollte, einige von ihnen doch öfters zu beehren, damit die Stimmung sich besänftigte und Haltung und Anstand an unseren Hof zurückkehrten, als mir ein großer Schatten in den Weg fiel.
    Villalcázar kam mir so nahe, daß ich ihn riechen konnte: Eisen, Messing, Ambra.
    »Ihr wünscht …«, sagte ich.
    »Seit wann redest du mich mit ›Ihr‹ an? Du siehst nicht gerade froh aus. Kümmert sich der ›Indier‹ nicht um dich?«
    »Ihr vergeßt, daß Ihr vom Inka sprecht … Laßt mich durch.«
    »Ich vergesse nichts, sei unbesorgt. Nicht, auf welche Art du mich verlassen hast, und nicht deinen Geschmack an … Befriedigt dich dein Hengst wenigstens?«
    »Laßt mich durch, oder ich rufe um Hilfe! Was wollt Ihr? Aufsehen erregen? Ich glaube nicht, daß es der Statthalter gutheißen würde.«
    Er blickte über meine Schulter und sagte in verändertem Ton: »Hier kommt sein Bruder. Er will dich sprechen.«
    Ich drehte mich um.
    Zwischen Francisco Pizarro und Gonzalo bestand keinerlei Ähnlichkeit. Sie waren auch nur Halbbrüder, beide unehelich und von verschiedenen Müttern, daher ihr großer Altersunterschied. Gonzalo mochte so alt sein wie ich, gute zwanzig. Untersetzte Statur, Stiernacken, gedrungener Schädel. Denkt Euch dazu den aggressiven Ausdruck, der stets in seinen ziemlich schönen, schwarzen Augen saß, es sei denn, er blähte auch noch seinen breiten, mit kräftigen Zähnen bestandenen Mund, und Ihr habt ein grob hingeworfenes Porträt Gonzalo Pizarros. Außerdem, erinnere ich mich, hatte er ständig die Hand an seinem Bart, strich oder kraulte ihn oder strählte ihn mit gespreizten Fingern.
    »Señora«, sprach er mich an, ohne auch nur den Hut zu lüften.
    »Señor.«
    »Wie ich höre, erhebt Ihr Anspruch auf einen Besitz im Yucaytal.«
    »Richtig. Der Besitz gehört mir.«
    »Señora, die Dinge gehören dem, der sie hat.«
    »Ein Standpunkt, Señor, der mancherlei Neigungen ermutigen könnte! Wie ich Eurem Beamten schon sagte, wurde mir dieser Besitz von Inka Huascar übereignet, und ich habe genug Zeugen, es zu beweisen.«
    »Ein Rat, Señora: beharrt nicht darauf. Wir Spanier glauben nur Dokumenten, Ihr würdet uns am Ende verärgern.

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