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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Leben.
    Almagro war auf dem Weg nach Chile, Pizarro in Lima, die Herrschaft von Juan und Gonzalo begann, den Brüdern des Statthalters. Juan und Gonzalo entblößten sich nur vor Gott und vor Gold. Meines Erachtens waren die beiden Gottheiten in ihrem Herzen ein und dieselbe.
    Durch Eingeborene gewisser Stämme, die unsere Inkas einst unterworfen hatten, wußten Juan und Gonzalo, daß beim Tod Huascars und Atahuallpas zahlreiche Schätze versteckt worden waren. Die Vorstellung, inmitten goldener Berge zu leben und sie nicht in die Hand zu bekommen, erbitterte ihre Habsucht und machte sie rasend wie einen Puma bei Vollmond.
    Ohne sich anzumelden, ohne Anlaß erschien bald der eine, bald der andere im Palast, sie mißhandelten die Diener, brachen in Mancos Gemächer ein. Sie hielten sich nicht mehr mit heuchlerischen Formeln und Verbeugungen auf, sondern spien offen aus, was sie dachten: Der Inka? ein Hampelmann, eine hohle Muschel, ein Strohwisch, tauglich nur, sie mit Gold zu versorgen … Gold! Das Wort ist gefallen. Es prallt an Mancos Stummheit ab, schlägt auf sie zurück, und sie wüten, raufen sich den Bart, stampfen, brüllen und drohen, ihre Augen sind rot, das Gesicht violett.
    Sowie sie den Rücken kehren, bricht Manco wie Eis und schäumt. Jetzt muß ich ihn zur Ruhe mahnen.
    Da die Lage unerträglich wurde, für ihn sogar lebensgefährlich, entschloß sich Manco zur Flucht. Außerdem entfremdete die zweideutige Rolle, die er spielte, ihm seine Sippe, die nicht minder den schlimmsten Kränkungen ausgesetzt war.
    Er rief Adel und Würdenträger und enthüllte ihnen, was er vorhatte: den Aufstand auslösen, der im ganzen Reich gärte, und überall gleichzeitig angreifen, so daß der Feind seine Kräfte nicht erst sammeln konnte. Zur Stunde gedachte er, sich zu dem hohen Sonnenpriester zu gesellen – seinem und Huascars Bruder –, der mit Almagro aufgebrochen war, scheinbar, um letzterem den Zugang zu den Völkern des Südens zu erleichtern, in Wahrheit, um dort Männer zu rekrutieren und zur Befreiung Cuzcos zurückzukehren.
    Eines Nachmittags machte sich Manco durch eine kleine Pforte davon, zu Fuß, schlicht gekleidet wie ein Mann der Felder, auf dem Haupt die Wollmütze der Collas vom Titicacasee. Seine kurz geschnittenen Haare, eine Fingerlänge vom Schädel, wie sie nur der Inka trägt, hätten ihn verraten können. Und heutzutage war es in Cuzco ohnehin besser, von auswärts zu sein!
    Tags darauf sollten wir, seine Frauen, uns unter die Volksmengen mischen, die seit der Ankunft Eurer Landsleute die erhabene Ruhe unserer Stadt stören, und in Gruppen zu viert oder fünft durch das Stadttor entweichen, uns dann sammeln und an einem vereinbarten Ort auf der Straße nach Süden mit ihm zusammentreffen.
    Der Tag davor verging über den Vorbereitungen.
    Qhora, meine Zwergin, hatte bäuerliche Kleider beschafft. Sie anzuprobieren erheiterte die kleinen Prinzessinnen und trocknete ihre Tränen. Ich zeigte ihnen, wie sie den Chichakrug auf dem Rücken befestigen und in den Falten der Lliclla die vorgesehenen Traglasten unterbringen sollten, damit ihre Gestalten ein wenig echter wirkten. Die Flucht wurde zum Verkleidungsspaß!
    Ich konnte es kaum erwarten, bis wir bei Manco wären. Diese Mädchen zu geleiten, die nie eine Verantwortung, nur ihr Köpfchen auf den Schultern getragen hatten, beängstigte mich.
    Wir gingen schlafen.
    Das Verkleiden hatte mich in meine Kindheit zurückversetzt, und ich suchte mir aus der Erinnerung das Gesicht meiner Mutter vorzustellen, als großer Lärm erscholl. Ich hörte Qhora schreien, eine Fackel drang mit ihrem gelben Feuerschein in das Dunkel um mich, und ehe ich begriff, was es war, umringte ein Trupp spanischer Soldaten mein Lager.
    »Zieh dich an«, befahl einer.
    Ich protestierte. Der Form halber. Längst hatte mir mein erschrockenes Herz die Erklärung für diesen Überfall geliefert: Manco! Manco gefangen, womöglich tot, falls seine Flucht verraten worden war … Ich wußte nicht, wie es hätte geschehen sollen, doch klammerte ich mich an den Gedanken.
    »Stell keine Fragen, zieh dich an«, wiederholte der Spanier.
    Da er sich weigerte, mich allein zu lassen, mußte ich mich im Beisein der Soldaten ankleiden.
    Weitere Soldaten hatten die Prinzessinnen in einen Saal des Palastes getrieben. Was für ein Anblick, Pater Juan, wenn Männer sich an Kindern vergreifen! Die Augen vor Müdigkeit und Tränen geschwollen, stürzten die armen Kleinen auf mich zu. Ein

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