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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Vertrauensbeweis, der erste, der mir half, eine Ruhe vorzutäuschen, die ich keineswegs empfand.
    Die Bediensteten eilten herbei. Ich befahl ihnen, nicht einzuschreiten, es hätte nichts genützt.
    Qhora zerrte an meinem Rock. Ich klopfte ihr auf die Finger: »Hab dich nicht dumm, bleib hier, sterben hilft auch nicht weiter.« Sie stellte sich taub. Verbockt wie ein Lama! Ein Soldat sah das Theater, er packte sie beim Nacken und warf sie mitten unter die Dienerinnen. In drei Wirbeln war Qhora wieder bei mir und schnitt dem Soldaten eine prachtvolle Grimasse. Der zuckte die Schultern, die anderen lachten.
    Wir verließen den Palast, stiegen durch die Oberstadt in Richtung der Terrassen von Collcampata hinan.
    Dieser düstere Marsch, dessen Schatten die Kienfackeln an die Mauern warfen, erinnerte mich an die Nacht, als Atahuallpas Krieger uns nach Yahuarpampa geführt hatten, mich, die Coya Rahua Ocllo und so viele andere, deren Gebeine in der Erde verwesten. Ich wußte nun zur Genüge, daß Männer sich unter bestimmten Umständen in der Grausamkeit ebenso überbieten können wie in der Tapferkeit, und machte mir über das Los, das uns erwartete, keine Illusionen.
    Vor dem Palast, in dem eine der Prinzessinnen, Inkill Chumpi, gelebt hatte, bevor sie Manco dargeboten wurde, gellten Schreie. Wir hielten inne. Ein Spanier kam durch die Reihen gerannt: »Es ist eine der Frauen. Der reinste Satan. Bring sie zum Schweigen, oder …«
    Ich folgte ihm.
    Inkill Chumpi wälzte sich am Boden. Sie heulte, zerkratzte sich die Wangen, riß an ihren Haaren. Wer es nicht kannte, wie unsere Frauen ihre Verzweiflung bekunden, mußte glauben, sie sei von bösen Geistern besessen. So standen die Soldaten denn im Kreis und getrauten sich nicht, ihr näher zu kommen.
    Ich kniete mich hin.
    »Sollen die Fremden dich für feige halten, dich, die Enkelin des großen Huayna Capac? Sollen sie in deinen Palast einfallen und deine Brüder und Schwestern wegführen?«
    »Es heißt, daß sie Frauen vergewaltigen, sie werden uns umbringen, ich habe Angst«, wimmerte Inkill Chumpi.
    Sie hatte lange dichte Wimpern, rundliche Wangen, einen Mund, so rot wie eine Blüte der Kantuta, und sie war vierzehn. Ich glättete ihr das Haar, schob ihr Stirnband zurecht.
    »Du hast Angst? Angst ist noch nicht der Tod. Wie oft hatte ich große Angst und bin immer noch am Leben, nicht wahr? Denk an den Inka. Wenn er dich so sähe, er müßte sich deiner schämen.«
    Ich hob sie auf, legte ihr meinen Arm um die Schultern, und wir zogen weiter. Arme Inkill Chumpi! Nie hat sie erfahren, wie sehr ihre Schwäche mir Kraft gegeben hat.
    Über dem Collcampata erhebt sich die gewaltige Festung Sacsahuaman. Als wir den Berghang erreichten, wurde mir klar, daß die Soldaten uns dorthin führten. Der Himmel war verhangen, ohne einen Stern, der Mond war verborgen. Mich schmerzte ein Stein in meiner Sandale; ich zog mein lahmendes Bein nach.
    Wir kamen durch enge Maueröffnungen, durch die dreifachen Umfassungswälle.
    Obwohl die Inkas eine Residenz in einem der drei Türme unterhielten, die sich über dem großen Platz im Herzen der Festung erhoben, war ich noch niemals in Sacsahuaman gewesen. Von weitem ist der Anblick wunderbar. Von nahem erdrückt er, man fühlt sich wie Staub. Stellt Euch vor, Pater Juan, daß manche Granitquader, die zu dem Bau verwendet wurden, bis zu zwanzigtausend Männer erfordert hatten, um sie hügelauf zu bewegen. Und stellt Euch vor, was unglückliche Geschöpfe, die man in tiefer Nacht aus dem Schlaf gerissen und roh hierher verbracht hatte, empfinden mußten angesichts dieser wie für Riesen errichteten, eisigen Welt aus Stein!
    Unter Stoßen und Schimpfen wurden wir von den Soldaten in eines der Gebäude und über Treppen hinuntergeführt. Wir gelangten in einen unterirdischen Bereich, an dessen Ende es abermals über Treppen abwärts ging. Je tiefer wir hinabstiegen, desto kälter wurde es. Klebrige Feuchtigkeit sickerte aus den Mauern, zerschmolz zu Pfützen, in denen sich der Fackelschein spiegelte. Das war auch die einzige heitere Note! Ich schlotterte, ich dachte: Manco! Manco! Sein Name erfüllte meinen Kopf so unheilvoll wie die Meeresmuscheln, wenn sie den Tod verkündigen. Und plötzlich – die Soldaten stießen uns in einen Saal – plötzlich sah ich ihn, sah Manco.
    Er saß auf dem Fußboden, den Hals in einem Eisenring, den eine Kette an die Mauer schloß, die Gliedmaßen in Eisen.
    ***
    Tagelang bekamen wir nur ein bißchen

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