Die Favoritin
Pizarro war bereits eingetroffen, von einem Dolmetscher und zwei Offizieren begleitet, die den Zug befehligen sollten und mit denen Manco sich unterhielt.
Seit einem Monat bewegte er sich ungehindert in Sacsahuaman, stieg täglich aufs Pferd, und in der Woche davor war er mit Hernando und zahlreichen Spaniern sogar im Yucaytal gewesen, um an einem Gedenkfest zu Ehren von Huayna Capac teilzunehmen. Bei der Gelegenheit hatte er Hernando eine Statue überreicht, die seinen Vater in natürlicher Größe darstellte. Hernando war ein wenig enttäuscht: die goldene Statue war hohl. Manco, der mit dieser Reaktion gerechnet hatte, beeilte sich zu erklären, wenn man ihm erlauben würde, mit einer ausreichenden Anzahl von Trägern noch einmal in das Yucaytal zu ziehen, könnte er eine Statue aus massivem Gold von über zwei Zentnern herbeischaffen. Als Hernando das Gewicht hörte, kam seine Vorsicht ins Wanken … Heute nun war der Tag, an dem der Zug zum Transport des Wunders aufbrechen sollte.
Ich warf mich vor Manco nieder und küßte dreimal den Saum seines Mantels. Es war das vereinbarte Zeichen.
In der Frühe hatte der Hohepriester mir durch einen Boten bestätigt, daß alles bereit sei, wie vom Inka befohlen.
Hunderttausend Krieger erwarteten ihn am Eingang des heiligen Tals. Bei ihnen befanden sich die berühmten Schätze des Sonnentempels, die nach Huascars Gefangennahme in Sicherheit gebracht worden waren, die Hüllen unserer toten Inkas, die Sonnenjungfrauen, die Mamacunas aus dem Acclahuasi, die Coya und die Kinder, die bei Nacht durch unterirdische Gänge geflohen waren.
Man brachte Manco den Fuchs.
In wenigen Stunden würde er die höchste Freude erleben, Sapa-Inka, der Gott-Mensch, zu sein, den die Sonne erleuchtet, der befiehlt, beschützt, führt und lenkt, dessen Atemhauch eine Ebene in goldene Ernten oder in einen See von Blut verwandeln kann und vor dem jedes Menschenwesen sich verneigt. Und bald würde ich bei ihm sein, aus seinem Kelch trinken, seinen Triumph auskosten.
Leichte Sänften warteten versteckt in Vororten von Cuzco, die uns zu ihm bringen sollten.
»Señora Asarpay!«
Lächelnd trat ich zu Hernando Pizarro.
»Edle Dame Asarpay, ich bitte Euch, mir zu folgen. Ihr werdet in meiner Residenz mein Gast sein, bis der Inka wiederkehrt. Übersetzt bitte.«
Wie brachte ich es fertig, meinen Atem, meine Stimme zu beherrschen?
Wahrscheinlich war es meine Liebe zu Manco, der Haß, den ich gegen die Eurigen empfand.
Der Dolmetscher, ein Verräter aus der Provinz der Chachapuyas, hörte zu. Ich übersetzte. Mancos Gesicht blieb unbeweglich.
Er saß auf, grüßte Hernando, gab dem Pferd die Sporen, von den spanischen Offizieren und dem Dolmetscher umringt. Ich sah, wie er sich entfernte, und sagte mir, daß ich ihn nie wiedersähe.
Abends speiste ich zur Rechten Hernandos. Zugegen waren seine engsten Vertrauten und ihre Konkubinen, vorwiegend Prinzessinnen und Schwestern Atahuallpas, reich mit Juwelen behängt. Die Verbindungen dauerten seit Cajamarca und waren mittlerweile halbe Ehen geworden.
Auch Villalcázar war dort. Zwei junge Geschöpfe umrahmten ihn. Er mußte sie von Lima mitgebracht haben. Ihre lebhaften und anmutigen Manieren erinnerten mich an die kleine Yunga, die Huayna Capac so verhext hatte mit ihrer Schlange. Villalcázar und ich taten, als sähen wir uns nicht. Mir fiel auf, daß er viel trank.
Trotz Wein und Frauen kam keine Fröhlichkeit auf. Die Unterhaltung drehte sich um die Unruhen, die seit kurzem überall im Reich aufflammten und denen eine Reihe Spanier aus dem Hinterhalt zum Opfer gefallen waren.
»Was ich mir nicht erklären kann«, sagte Hernando, »ist, wie die Indios sich verständigt haben. Zum selben Zeitpunkt aufzustehen, sich gemeinsam zu erheben in einem Land, das so riesig ist …!«
Ich hätte ihm antworten können, daß er, wäre er weniger an unserem Gold und mehr an unseren Sitten interessiert gewesen, längst begriffen hätte, daß so etwas allein dank der Chasqui möglich war. Ebenso hätte ich ihm sagen können, daß diese Operationen, die Manco von der Festung aus leitete, durch den Hohenpriester und mich abgestimmt worden waren.
Bei der Gelegenheit, Pater Juan, will ich Euch etwas über die Chasqui sagen.
Seit jeher hielten die Inkas darauf, die Kräfte, die in den Menschen schlummern, in Anpassung an unsere schroffen Höhenunterschiede zu entwickeln. Unsere jungen Männer haben eine fabelhafte Gabe zu laufen. Sie werden mit geflügelten
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