Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
Vom Netzwerk:
Chile? Na höre. Felsen, Wüste und Eis. Und Wilde, die einen, scheint es, bei lebendigem Leibe fressen, Stück für Stück, das sie vor deiner Nase braten. Chile, das ist ein faules Ding. Aber Almagro ist zäh. Wenn er davonkommt, werden seine Ansprüche auf Cuzco ihn wieder jucken, und dann, krach! drehen wir ihm den Hals um.«
    »Armer Martin!«
    Ohne sich um die vielen Menschen zu kümmern, die in der Galerie auf und ab schritten und uns im Vorbeigehen musterten, faßte Villalcázar mich am Arm, so daß ich stehenbleiben mußte.
    Er hatte wieder seinen bösen Mund, seinen feindseligen Blick.
    »Armer Martin!« wiederholte er. »Muß man, um dir zu gefallen, ein Schwächling sein, ohne Willen, ohne Ehrgeiz?«
    »Martin ist gut.«
    »Gut? So ein Unsinn! Was bringt es denn, gut zu sein?«
    »Manches, was man auch für Gold nicht kaufen kann.«
    Villalcázar lachte auf.
    »Man kann alles kaufen, sogar dich. Wollen wir wetten?«
    Hernando Pizarro zeigte sich erzürnt über die Maßnahmen gegen den Inka. Er besaß ein Geschick, das Juan und Gonzalo abging, und glaubte in der Tat, daß er bei Manco durch Versöhnlichkeit mehr erreichen würde.
    Er befahl, ihm die Ketten abzunehmen, ihm in der Festung eine seinem Rang gebührende Wohnung und Nahrung zu bieten, und die Soldaten wurden angewiesen, sich für die Übergriffe zu entschuldigen, die sie an seinen Frauen begangen hatten.
    Am Ende der Woche rief mich Hernando zu sich, und wir begaben uns gemeinsam hinauf nach Sacsahuaman. Auf dem Weg, während ich in meiner Sänfte saß und er sein Roß zügelte, um seinen Gang dem der Träger anzupassen, teilte er mir in besorgtem Ton mit: Da der Inka dem König von Spanien den Huldigungseid geleistet hatte, war seine Flucht ein Fall von bewußter Rebellion. Seine Majestät der Duldsamkeit geneigt zu machen würde große Schritte erfordern.
    Auch wenn ich Hernando wenig kannte, hatte ich mit seinen Brüdern hinreichenden Umgang gehabt, um zu verstehen, was er verschwieg. Ich versicherte ihn also der Dankbarkeit des Inka. Wir hatten uns verstanden.
    Euch mein Gefühl zu beschreiben, als ich Manco wiedersah, ist, glaube ich, nicht nötig. Hernando Pizarro schloß ihn in die Arme. Ich mußte mich darauf beschränken, seine Hand und seinen Mantel zu küssen.
    Er war vornehm gekleidet, wirkte ziemlich heiter, gab sich liebenswürdig … beinahe unterwürfig, ein Eindruck, der verlosch, als er die schweren Lider hob und sein Blick sich auf mich richtete.
    Wir sind ein listiges Volk, aber treu einem einmal gegebenen Wort. Ich kann Euch schwören, daß Manco den Vertrag mit dem Statthalter nie gebrochen hätte, wenn die Pizarros sich daran gehalten hätten. Sie waren es, die ihn in die Schule der Schurkerei nahmen, und sie hatten sich als so hervorragende Lehrmeister erwiesen, daß er sie schließlich übertraf.
    Der Besuch war lang und herzlich.
    Dem einen eröffneten sich neue, blendende Vorstellungen von Gold; dem anderen die Freiheit, die Rache und die Hoffnung, endlich Gott in seinem Land zu sein.
    Ich nutzte Hernandos liebenswürdige Stimmung und erhielt die Erlaubnis, wieder auf die Festung zu kommen und die kleine Inkill Chumpi mit nach Cuzco zu nehmen. All die erlittene Gewalt hatte sie stumm gemacht, man bekam keinen Ton aus ihr heraus.
    Später, als Martin mich in die Feinheiten Eures Kalenders einweihte, der so wie der unsere zwölf Monate hat, aber deren Unterteilung größere Genauigkeit ermöglicht, machte ich mich daran, das Datum zu berechnen, an dem Mancos Herrschaft wirklich begann. Es war am 18. April 1536.
    Morgens stieg ich mit Qhora und Inkill Chumpi hinauf nach Sacsahuaman. Das arme Kind war wie gewöhnlich völlig in sich versunken und lutschte emsig an den Fingern. Da ich ihr meine Erregung nicht mitteilen konnte, sagte ich in einem fort zu Qhora: »Dies ist das letzte Mal! das letzte Mal, verstehst du, daß ich vor einem Pizarro katzbuckele!« Und ich seufzte: »Das tut so gut, so gut, daß ich es mir kaum auszumalen wage.«
    Die Regenzeit endet mit dem März. Das Wetter war schön. Rötlicher Staub wirbelte um die Sänfte. Inmitten der Felsen, die sich im Sonnenschein wärmten, wirkte die Festung in ihrem dreifachen Mauerwall wie ein Ungeheuer, das auf Beute lauert, um sie zu verschlingen und zwischen ihren gewaltigen Kiefern aus Stein zu zermalmen. Immer ergriff mich ein heiliger Schrecken, wenn ich die Tore von Sacsahuaman durchschritt.
    An jenem Morgen konnte ich das Glück gar nicht glauben.
    Hernando

Weitere Kostenlose Bücher