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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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feierliches Gepränge geben wollen. Er, der Gott-Mensch, der letzte Pfeiler des Glaubens, der Bräuche und Traditionen ritt voran, umringt von seiner Leibgarde, von Lanzen und goldenen Schilden. Dahinter kamen seine Bogen- und Schleuderschützen, die juwelenübersäten Hüllen der toten Inkas, die Würdenträger, die sich für Gefolgschaft und Exil entschieden hatten, die Priester in ihren weißen Gewändern und goldenen Masken, die sich um den Punchao scharten, die vor den Wirren gerettete, riesige Sonnenscheibe; es kamen die Seher, die Weisen, die Amauta, nach ihnen die endlose Karawane der Sänften, in denen wir Frauen hinter geschlossenen Behängen saßen, schließlich der Gegenstand aller Begehrlichkeiten, die zahllosen Wunderwerke und Schätze, die beim Erscheinen von Atahuallpas Soldateska in unterirdischen Stollen verschwunden waren und nun auf dem Rücken von hunderttausend Lamas ruhten. Den Schluß bildete samt Familien die große Menge der Diener, Träger und Hilfsverpflichteten, die einen beladen mit Lebensmitteln und Wasservorräten, die anderen betraut, Pfeile und Schleudersteine zu fertigen, schließlich die spanischen Gefangenen und die Tausenden Krieger, die auf den Flankenschutz und die Nachhut verteilt waren.
    Ich hatte Qhora bei mir.
    Angesichts der Langsamkeit, mit der unser gewaltiges Aufgebot sich vorwärtsbewegte, mußte ich damit rechnen, noch auf der Reise niederzukommen.
    Tag um Tag schlugen wir uns durch die Vegetation, die Ihr jetzt kennt, bald feindselig verschlossenes, bald lüstern umschlingendes Labyrinth, das Mensch und Tier in seine Fallen saugt und mit seiner süßlichen Feuchte und seinen fauligen Dünsten betäubt. So ging es den Wolken entgegen.
    Da kam der Angriff.
    Chachapuyas, ein den Spaniern verbündeter Stamm, wollten uns den Weg zu den Gipfeln verwehren. Manco zermalmte sie. Nur einer überlebte: der Häuptling Chuqui Llasax, den wir, einen Strick um den Hals, als Gefangenen mitführten.
    Durch Chuqui Llasax erfuhren wir, daß Almagro sich Cuzcos bemächtigt hatte und daß in den Kerkern von Sacsahuaman nun Hernando Pizarro, sein Bruder Gonzalo, Villalcázar und andere Größen der Conquista saßen. Ich brauche Euch nicht zu beschreiben, was wir empfanden, als wir uns Gonzalo an demselben Ort der Schande vorstellten, den er uns zugemutet hatte! Doch Mancos frohe Stimmung wich, denn er hörte, daß Almagro einen neuen Inka gekrönt hatte, seinen Halbbruder Paullu, der sich den Euren stets als gefälliger Sklave erwiesen hatte. Eine Geste ohne Wert, aber die erklärte Feindschaft. Er war beunruhigt. So groß die Zahl unserer Krieger auch war, noch größer war die der Personen, deren Schutz sie zu gewährleisten hatten.
    Von nun an galt beschleunigter Marsch empor zu den Bergkämmen. Er verlangte unseren Trägern Übermenschliches ab. Nachts biwakierten wir in Fels und Eis. An den bläulichen Orten der Stille, wo die Seelen der Ahnen wohnen, erhob sich für Stunden eine Art Stadt mit ihren Feuern, Geräuschen und Gerüchen.
    Die Zeitmessung geriet aus den Fugen. Die Tage waren, was Manco aus ihnen machte. Endlich, nachdem er an den Himmelssaum gerührt und mehrere Pässe überwunden hatte, beschloß er den Abstieg und befahl eine Rast, überzeugt, daß kein Spanier uns hier mehr verfolgen würde. Das durch schroffe natürliche Mauern geschützte Tal von Lucamayo nahm uns auf.
    Nachdem das Lager errichtet, den Göttern Ehre erwiesen war, ließ Manco den Häuptling der Chachapuyas, Chuqui Llasax, hinrichten. Von einer Lanzenspitze stand sein Kopf dem anschließenden Gelage vor. Vergossenes Blut stillt den Haß und schürt den Durst. Da ich wußte, wie die Trinkerei enden würde, zog ich mich mit Qhora zurück. Ich war erschöpft. Mitten im lautstarken Gelächter der betrunkenen Männer legte ich mich schlafen. Die Frauen sangen. Mein letzter Gedanke galt der Frage, mit welcher von ihnen Manco die Nacht wohl beschließen würde.
    Geschrei weckte mich. Es war stockfinster. Ich glaubte, die Orgie sei auf dem Höhepunkt. Das Kind strampelte. Obwohl mein Leib keine Anstrengung scheute, ihm eine behagliche Wohnung zu sein, schien er ihm nun eng zu werden. Zärtlich gerührt, suchte ich eine andere Lage, die mich ein wenig erleichterte, als ich Schüsse hörte. Zuerst dachte ich, es seien die Unseren, und meinte, Manco müsse schon sehr berauscht sein, wenn er derart Pulver vergeuden lasse. Als ich aber zu klarerem Bewußtsein kam, kam mir der Lärm ungewöhnlich vor. Durch einen

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