Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
Vom Netzwerk:
bis zum Vorgebirge des Tempels anstiegen. Von dort kamen wir.
    »Die Terrassen der Sonnengärten«, murmelte ich.
    »Wie kann das sein, Asarpay«, sagte Inkill Chumpi. »Meine Mutter hat mir immer gesagt, dort leuchte, sogar in tiefer Nacht, unser Vater die Sonne.«
    »Das war das Gold, Kind. Dort gibt es kein Gold mehr, dort hat die Sonne aufgehört zu leuchten. Sie leuchtet, wo Manco ist, dort, wo wir hingehen.«
    Wir fielen uns in die Arme. Drei, die vor Wasser trieften und weinten, weinten! Vor Freude weinen ist schön.
    Für die Spanier war die von der Vorsehung gesandte Flut, die den Brand stillte, das Werk der Jungfrau Maria. Manche behaupteten auch, sie hätten den Erzengel Jakob auf seinem weißen Roß durch die Lüfte reiten sehen, wie er mit dem Schwert des Lichts auf uns Heiden gewiesen habe. Rückblickend bin ich überzeugt, daß die Götter dies Wunder meinetwegen taten, damit das Schicksal, das sie mir bestimmt hatten, sich erfüllte.
     

    Pater Juan de Mendoza
10. Oktober 1572
    Der Morgen graut.
    Ich habe geschlafen wie ein Tier.
    Gestern überquerten wir auf einer der berühmten Hängebrücken den Urubamba. Bestürzende Erfahrung, wie gefährdet ein Menschenleben ist! Dann begann der Aufstieg. Dorniges Buschwerk, in das die Indios Schneisen für uns schlagen. Urwald. Der Fuß versinkt in modrigem Humus, vollgesogen mit Wasser, die Hände klammern sich fest, wo sie können, die Luft ist feucht und giftig, es schwirrt vor Schmetterlingen, fliegenden Ameisen, mir dreht sich der Kopf. Sie hatte mir eine Tragmatte angeboten, ich lehnte ab. Falsche Bescheidenheit, törichter Stolz!
    Ich hatte davon munkeln hören, daß die Brüder Pizarro sich gegenüber dem Inka Manco ungeschickt benommen hätten. Welch eine Beschönigung!
    Was habe ich inmitten dieser feindseligen Natur zu suchen, wo ich ihrer schwankenden Sänfte folge, gehe, wo sie hingeht, ohne zu wissen, wohin? Wenn ich mich befrage, schmeichle ich mir, ich täte es um Deines Ruhmes willen, o Herr, aber dieses Gelüst, das mich einst trieb, Verbote zu übertreten, diese verderbliche, unbesonnene Neugierde … Sollte es nicht eher der Teufel sein, der mir neuerdings eine Versuchung schickt? Sie könnte meine Mutter sein, doch ich sehe nur die Frau. Blühend in voller königlicher Schönheit. Kann sie auch den Jahren befehlen? Manchmal hasse ich sie!
    Ich bete auf meinem Weg. Hundert Ave Maria besänftigen mich. Heute, habe ich beschlossen, werde ich barfuß gehen … Dies heimtückische Fleisch züchtigen!
    Als wir die Brücke überschritten hatten, schnitten ihre Diener die Seile durch, die sie am Ufer befestigt hatten. Warum?
    Heilige Maria, Mutter Gottes, breite deinen weißen Mantel über den Sünder!

6
    Unser Aufenthalt in Ollantaytambo, Pater Juan, war gewissermaßen eine Pilgerstation.
    Nach dem Brand von Cuzco errichtete Manco sein Stabsquartier in dieser Festung, deren Bau Ihr so sehr bewundert habt. Priester und Sonnenjungfrauen hatten ihren gesonderten Bereich.
    Wir Frauen wohnten in dem Palast unterhalb der Festung. Wenn Manco dort weilte, stieg ich fast jeden Abend über die Terrassen, die beide Gebäude verbinden, zu ihm hinauf.
    Eine aus Goldfäden gewirkte Zeit, so leuchtet sie in meiner Erinnerung.
    Wir tranken aus einem Kelch, wir redeten, besprachen, was getan war, was getan wurde und was getan werden sollte. Unsere Herzen sagten uns mit Gewißheit: die Spanier würden bald nur mehr Dünger unserer Erde sein, und aus dem Krieg erwüchse der erhabene Frieden.
    Sicher, Hernando Pizarro hat Sacsahuaman zurückerobert, aber sein Bruder Juan, der verfluchte, ist tot; der Schädel wurde ihm in der Schlacht durch einen Stein zertrümmert. Ein Pizarro weniger! Es wird gefeiert, Chichawein fließt in Strömen … Sicher, der Feind beweist eine Hartnäckigkeit, die uns in Erstaunen setzt. Lima und Cuzco, von Mancos Feldherren belagert, behaupten sich, aber die Stadt Jauja, ein strategischer Punkt im Zentrum des Reiches, gehört wieder uns. Sonne, Sonne! Sicher, unser eilig aufgestelltes Heer ist keines, wie unsere Inkas es ruhmvoll führten, ihm mangelt es an Disziplin, an ›Handwerk‹, wie Villalcázar gesagt hätte, es ist schwerfällig, weil es Frauen und Kinder mitschleppt, und all die Mäuler wollen gestopft, all die Unwissenheiten ausgewetzt werden, aber wir haben Massen, haben Feuerwaffen vom Feind, spanische Gefangene, die für uns Pulver herstellen, und Pferde, die unsere Männer mit ihren steinbeschwerten Lassos geschickt

Weitere Kostenlose Bücher