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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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unaufhörliches Hin und Her von Männern und Pferden.
    Abends wurde der Soldat durch den abgelöst, der Qhora von Hernandos Palast bis zum Tempel getragen hatte. Ich redete mit ihm.
    »Eure verdammten Krieger sind im Zuge, uns auszuräuchern wie die Ratten«, sagte er. »Außer dieser Kirche, die der Herr beschützen möge, dem Frauenhof nebenan und einem Palast brennt die ganze Stadt. Ein einziger Backofen! Da oben haben sie Gräben gezogen und mit Pfählen gespickt, damit die Pferde sich daran aufschlitzen, und die Festung haben sie besetzt. Ein Ausfall ist versucht worden, aber alle mußten kehrtmachen. Vielleicht könnte man ihnen noch über die Chaussee entwischen. Bloß, Don Hernando will nicht. Er weigert sich, ihnen die Stadt zu überlassen. Lieber schmoren wir drin, und Ihr mit.«
    Trotzdem teilte er mit uns seine Maiskolben und sein Wasser. Er hieß Bartolomé, wie Villalcázar. Er hatte seine Mutter und zwei Schwestern in der Estremadura, sie arbeiteten auf einem Gut, in Trujillo, dem Lehen der Pizarros, und er hoffte auf Gold, um sie aus der Leibeigenschaft freizukaufen.
    Wir versenkten uns wieder ins Beten. Mein Kopf war schwer, ich fühlte mich völlig entkräftet. Sollten wir aus dieser Tragödie herauskommen, gelobte ich mir, werde ich mich nie mehr von meiner Kokatasche trennen … Pater Juan, Ihr solltet meinen Rat annehmen und ein paar Blätter kauen, Ihr seht elend aus.
    Gegen Mitternacht riß uns ein gewaltiges Prasseln, das von der Galerie kam, aus unserer schläfrigen Meditation. Wir stürzten zur Tür. Es war Regen, eine jähe Sintflut, wie wir sie kennen in Cuzco. Im selben Augenblick erleuchtete Inti Illapa, der Herr der Blitze, die Galerie. Mir klopfte das Herz.
    »Seht doch«, sagte ich, »der Soldat ist weg!«
    Wir liefen zum Eingang des Gebäudes.
    Jetzt schallten Rufe, Schreie durch das Getöse des Wassers und das fast ununterbrochene Donnerrollen.
    Wir nützten eine kurze Dunkelheit und näherten uns vorsichtig dem Tempel. Was wir erblickten, machte uns baff.
    Aus allen Öffnungen kamen Spanier gesprungen. Und alle beugten wie in der Ekstase, in die wir durch gewisse rituelle Tänze geraten, den Kopf nach hinten und tranken den Regen. Dann sanken sie an die nächstbeste Schulter und schrien vor Freude. Die Augen leuchteten wie kleine Monde in ihren strömenden Gesichtern. Sie fielen auf die Knie, küßten die Erde, bekreuzigten sich. Es waren auch Indiofrauen dazwischen. Niemand beachtete sie. Der inbrünstige Jubel war Sache der Männer. Ich sah unseren Soldaten. Er hatte die Arme um zwei andere gelegt, er sang. Einen Lobgesang. Ich gab das Zeichen zum Rückzug. Wir verbargen uns in einer Baumgruppe. Hinter den Bäumen hörte ich den Bach plätschern …
    Hatte ich das erwähnt, Pater Juan? Durch ganz Cuzco fließen zwei Bäche. Sie sind mit Balken und Planken überdeckt, damit Sänften und Fußgänger sie überqueren können. Der linke, wenn man unter dem Hügel von Sacsahuaman steht, kommt in Höhe des Tempels zum Vorschein, fließt durch den heiligen Bezirk und dann weiter ins offene Land.
    Qhora flüsterte: »Wir müssen uns trennen, sonst schnappen sie uns, wenn wir durchs Tor wollen. Sie nehmen keine Zwerginnen zu Konkubinen.«
    Ich legte meine Hand auf ihren Kopf.
    »Wir sind zusammen, wir bleiben es. Keine Widerrede. Außerdem kennen mich zu viele Spanier. Und es gibt ohnehin nur das Nordtor, wo sie alle sind. In die Oberstadt zu kommen, ist ausgeschlossen … Wir gehen durch den Bach.«
    »Den Bach! Ich bin so klein, da ertrinke ich doch, ich komme nicht mit.«
    »Willst du lieber, daß sie dich töten?«
    Das Hochwasser hatte seit gut einem Monat aufgehört. Wenn auch vom Regen, der immer noch wütete, geschwollen, war der Bach nicht sehr tief. Indem eine der anderen half, glitten wir hinunter. Steine bedeckten den Grund. Die Uferbüsche verbargen uns. Qhora zwischen uns, die wir jede mit einer Hand festhielten, machten wir uns auf.
    Als die Wirtschaftsgebäude des Tempels hinter uns lagen, sahen wir vor uns eine Kehre. Der Bach bog ab nach Süden und schoß nun den Hang hinab. Um von der Strömung nicht mitgerissen zu werden, klammerten Inkill Chumpi und ich uns mit der freien Hand an die niedrigen Zweige der Sträucher … Und mit einemmal ebnete sich das Bett, das Wasser floß ruhiger, es war das offene Land, hohe Gräser und am Horizont, wie hingesät, fahle Flecken. Zelte. Die Unsrigen.
    Ich wandte mich um.
    Meine Augen erkannten steinerne Kanten, die stufenweise

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