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Die Favoritin

Titel: Die Favoritin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Davenat Colette
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Schlitz in der Zeltwand spähte ich hinaus.
    Sowie ich spanische Kürasse und Helme erblickte, hatte ich nur noch einen Gedanken: das Kind in Sicherheit zu bringen. Stumm rüttelte ich Qhora wach. Auf allen vieren krochen wir hinaus, und glaubt mir, für eine Hochschwangere ist das kein leichtes Unterfangen! Wir verbargen uns in dem Buschwerk, an das sich das Zelt lehnte, und verharrten dort, unter Laub versteckt, mit stockendem Herzen und angehaltenem Atem.
    Das Chichagelage kam uns teuer zu stehen. Die Spanier machten sich mit satter Beute davon: Juwelen, mehrere ehrwürdige Hüllen, die Hälfte unserer Lamas und, was noch schlimmer war, die Coya, mehrere Frauen und Titu Cusi, ein illegitimer Sohn Mancos, fünf Jahre alt und ein Liebling seines Vaters. Die Gefallenen gar nicht gezählt.
    Diese Niederlage, unsere erste, vermochte Mancos Willen nicht zu schwächen, vielmehr machte sie ihn noch härter.
    Wieder brachen wir auf.
    Immer weiter, immer höher. Kein Weißer hätte dort überlebt. Die Kälte stach uns ihre Eisnadeln in die Knochen. Die Luft wurde dünn. Wir ernährten uns unterwegs von einer Scheibe gesalzenem und gedörrtem Lamafleisch, von ein wenig Chunu oder Mais. Und wenn Manco uns ein paar Stunden Ruhe gestattete, so einzig, damit die Träger wieder zu Kräften kamen.
    Ich knabberte an einem Maiskolben, als die Wehen einsetzten.
    Sie folgten einander in immer kürzerem Abstand, Qhora breitete eine Decke auf den Boden der Sänfte. Ich ließ mich nieder, ruhig und furchtlos. Meiner Fehlgeburt eingedenk, hatte ich die beste Vorsorge getroffen: keine Leckereien mehr, keine Koka, häufiges Fasten, reichliche Opfergaben an die Huacas wie auch an Pachamama, unsere Göttin der Erde. Und ich gab acht, bei jeder Apachita haltzumachen … Ihr habt sie gesehen, Pater Juan, jene großen Steinpyramiden auf den Höhen. Jeder Reisende muß dort seinen eigenen Stein hinzulegen und ihn bespeien, um den bösen Geist, der in der Umgegend haust, zu verjagen. Was zu tun ich nicht verfehlte.
    Wie habe ich mich auf dieses Kind gefreut, Pater Juan, wie hatte ich mir gewünscht, Manco einen Sohn zu schenken! Es war ein Mädchen, ein winziges Dingelchen, runzlig, behaart, blutverschmiert, aber sowie es geboren war und Qhora es mir hinhielt, fühlte ich mich … Wie soll ich sagen? Ein Kind, Pater Juan, ist für eine Mutter die Welt!
    Ich hieß die Träger uns am Wegrand niedersetzen. Am Vortag hatte es einen Schneesturm gegeben. Ich nahm Schnee in den Mund und erwärmte ihn; mit dem lauen Wasser benetzte ich die Kleine, und während Qhora sie in eine Decke wickelte, griff ich mir Schnee mit vollen Händen und rieb mich kräftig ab. Eine erlesene, glühende Liebkosung für meinen glorreichen Leib!
    Da ich einen Maiskolben in Händen hatte, als sie auf die Welt kam, nannte ich meine Tochter Curi Zara, ›Goldener Mais‹.
    Zara! der einzige Name, der mir noch Tränen entlocken kann! Aber wie haben wir, Qhora und ich, an jenem Tag gejubelt bei der mindesten Regung des kleinen Wunders, das ich in meinen Armen hielt.
    ***
    Der Ort, an dem Manco sich niederließ und von dem er die Spanier mit neuem Krieg zu überziehen gedachte, war eine der heiligen Städte, die unsere Inkas von Zeit zu Zeit aufsuchten, um sich der Meditation unterm Blick der Götter zu ergeben und ihre Pläne im Angesicht des Himmels zu erwägen.
    Wo diese Städte lagen, wußten nur der Hohepriester und die nächsten Anverwandten des Herrschers, ebenso natürlich seine Diener. Aber dies niedere Volk, das stets aus denselben Dörfern und denselben Familien im Umkreis von Cuzco kam, wußte sehr wohl, daß das Los seiner Ayllu von seiner Verschwiegenheit abhing, und es hätte eher den Tod gewählt, als die Geheimnisse seines Dienstes preiszugeben.
    Ich ahne, Pater Juan, welche Frage Ihr auf den Lippen habt. Sie betrifft das Schicksal derer, die jene Städte inmitten der unwirtlichen Natur errichtet hatten, nicht wahr? Laßt es, wie ich, dabei bewenden. Herrscher haben ihre Gründe … Hat nicht auch Euer verstorbener Kaiser Karl V. Armeen geopfert, Völkermord erlaubt, damit Europa und das Christentum siegten? Und Christentum … Ist die Bekehrung der Völker, die allzuoft nur deren Auslöschung bedeutet, nicht der fromme Mantel über der unermeßlichen Menge Gold, die der geistliche Ehrgeiz Seiner Spanischen Majestät verschlang? Ihr wißt so gut wie ich: Leben sind vergänglich, Werke bleiben. Hüten wir uns vor Heuchelei.
    Es war ein erhabener Ort, an den Manco

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